Die Politik Bismarcks 1862 bis 1871 in der deutschen Geschichtsschreibung
Eine kritische historiographische Betrachtung
Friedhelm Grützner
Die deutsche Reichseinigungsperiode von 1862 bis 1871 bedeutete einen tiefen Einschnitt in der deutschen und europäischen Geschichte. Das Europa des Wiener Kongresses brach zusammen, und im traditionellen Vakuum Mitteleuropa wuchs eine Militärmacht heran, die ihre Nachbarn erschreckte und zwei Weltkriege provozierte. Im Gegensatz zu Westeuropa verlor der Liberalismus in Deutschland seine führende Rolle und die alten Gewalten triumphierten. Der Sieg des alten Preussen spiegelte sich in der Geschichtsschreibung wider. Die Person Bismarck wurde mystisch überhöht, seine zeitgenössischen Kritiker wurden als inkompetente Zwerge verhöhnt. Erst mit dem Bruch der deutschen Kontinuität im Jahre 1945 wurde der Blick frei für eine kritischere Darstellung dieser Epoche.