Lebendige Vernunft
Eine Untersuchung der normativen Grundlagen der Peirce’schen Logik
Alessandro Topa
Im letzten Jahrzehnt seines Lebens hat der amerikanische Logiker, Naturwissenschaftler und Philosoph Charles Sanders Peirce immer wieder mit der Aufgabe gerungen, eine systematisch befriedigende Darstellung seiner semiotischen Logik vorzulegen. Die Architektonik dieser – zunächst in Buchprojekten und Vorlesungen (1900–1905), später vornehmlich in Gestalt von Essays (1906–1913) ausgearbeiteten – Spätphilosophie zeichnet sich durch zwei grundlegende Neuerungen aus: Erstens konzipiert Peirce die Philosophie ab 1901 als „coenoscopy“, mithin als eine Wissenschaft, die das der Erfahrung aller Menschen Gemeinsame kategorial stratifiziert und artikuliert. In ihren drei Zweigen – Phänomenologie, Normative Wissenschaft und Metaphysik – untersucht diese demgemäß die kategoriale Form, teleologische Struktur und den Wirklichkeitsbegriff einer als Zeichenprozess konzipierten Erfahrung. Zweitens thematisiert der späte Peirce mit der Einführung der prä-logischen Wissenschaften Ästhetik und Ethik gezielt die normativen Voraussetzungen semiotischer Erkenntnisprozesse. – Was aber bedeutet es für die Zeichentheorie, dass diese eine koinoskopische »normative semeiotic« ist? Und wie lassen sich in diesem Nexus Begriff und Funktion des Pragmatismus präzisieren? Vorliegende Untersuchung beantwortet diese Fragen, indem sie anhand veröffentlichter und unveröffentlichter Manuskripte die Entwicklung der Konzeption normativer Wissenschaft verfolgt, um sodann die Kooperativität, Dialogizität und Historizität konkreter Vernünftigkeit in den Mittelpunkt einer Rekonstruktion der Peirce’schen Theorie der normativen Strukturmomente semiotischer Erkentnisprozesse und verantwortbaren Handelns zu stellen.