Die Stiftskirche St. Servatius in Quedlinburg
Zum Stand der Forschungsdiskussion der ottonischen Vorgängerbauten
Clarissa von der Forst
Die Damenstiftskirche von Quedlinburg, die den Mittelpunkt des zum
Welt-Kulturerbe erklärten Denkmalsensembles Quedlinburg bildet, ist für
die architekturhistorische Forschung zum Früh- und Hochmittelalter ein
Problem. Während der heute bestehende Bau 1129 im Beisein Kaiser Lothars III. geweiht wurde und die Architektur der ersten Hälfte des 12.
Jahrhunderts weit über die Harzregion und Sachsen hinaus prägt, besteht
in der Forschung kein Konsens darüber, wie die Bauten der ottonischen
Blütezeit Quedlinburgs ausgesehen haben und welchen Bauzeiten sie
zuzuordnen sind.
Die vorliegende Untersuchung gibt einen Forschungsüberblick über die
umfangreiche Diskussion und die verschiedenen Thesen zu den ottonischen
Vorgängerbauten der heutigen Stiftskirche von den Anfängen im 19.
Jahrhundert bis heute.
Beginnend mit den mehr oder weniger freien Rekonstruktionen aus dem 19.
und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden in einem zweiten
Abschnitt die Ergebnisse der archäologischen Grabungen von 1938 bis 1942
besprochen. Die Grabungen, die unter der Leitung von Hermann Wäscher und Hermann Giesau standen, bildeten eine erste Befundgrundlage. Die
Rezeption dieser Befundinterpretation war jedoch sehr kritisch und
bildet den dritten Abschnitt der Diskussion. Sie ist vor allem mit den
Namen Fritz Bellmann und Gerhard Leopold verbunden. In den 1980er Jahren führte Gerhard Leopold erneut Sondagen in der Stiftskirche durch und
legte in mehreren Beiträgen seine daraus gewonnene modifizierte
Bauabfolge und -rekonstruktion vor, die als vierte große
Diskussionsphase gelten kann. Die Arbeit schließt mit den Thesen Werner
Jacobsens, der eine abweichende Interpretation der Bauzeiten vorstellte.