Die Überlieferung ausgewählter Texte altägyptischer Totenliteratur („Sargtexte“) in spätzeitlichen Grabanlagen
Teil 1: Text, Teil 2: Textanhang
Louise Gestermann
Mit der Niederschrift von Sprüchen aus dem Corpus der sogenannten Sargtexte lebte in privaten Grabanlagen der ägyptischen Spätzeit (ca. 700-500 v.Chr.) eine Tradition des Mittleren Reiches wieder auf. In dieser früheren Epoche (ca. 2000-1800 v.Chr.) stellten Sargtexte die private Totenliteratur schlechthin, doch ist ihre Nutzung – entgegen allgemeiner ägyptologischer Einschätzung – nicht auf diese Zeit beschränkt. Die textkritische Analyse der Sargtextsprüche macht die direkte Anbindung der spätzeitlichen Bezeugungen an die des Mittleren Reiches möglich, und es sind trotz des großen zeitlichen Abstandes zwischen den beiden relevanten Epochen die Überlieferungszusammenhänge und Überlieferungswege der Texte nachzuzeichnen. Die detaillierte Betrachtung der spätzeitlichen Grabanlagen unter den Gesichtspunkten Architektur, Textprogramm, Person des Grabbesitzers und Datierung zeigt da-
rüber hinaus eine klare Struktur bei dem neuerlichen Auftreten und der Weitergabe der Sargtexte in der Spätzeit. Es besteht eine deutliche Abhängigkeit zur sozialen und zeitlichen Stellung der Grabherren und infolgedessen auch zur jeweils ausgeführten Grabarchitektur. Gleichzeitig ist die Niederschrift der Sargtexte in der Spätzeit aber an keinen bestimmten Grabtypen gebunden.