Die Weisheit auf der Gasse
Zusammenstellung und Erklärung von Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten.
Heinrich Leineweber
Der aus dem Eichsfeld in Thüringen stammende Schulrat und Heimatforscher Heinrich Leineweber (1845–1910) gehört zu einer Gruppe von Pädagogen, die im 19. Jahrhundert großen Einfluss auf das Schulwesen ausgeübt haben. Als Deutschlehrer galt sein Interesse dem Sprach- und Literaturuntericht, wofür er eine beachtliche Anzahl von Lehrbüchern herausgegeben hat.
Von besonderem Wert ist sein Buch „Die Weisheit auf der Gasse. Neue Sprichwörter-Sammlung nebst Zusammenstellung und kurzer Erklärung sprichwörtlicher Redensarten. Für Schule und Haus bearbeitet und herausgegeben“ (1897), dessen dritte, von Anselm Leineweber im Jahre 1922 bearbeitete Auflage als Vorlage für diesen Nachdruck dient. Sie besteht im ersten Teil aus einer innovativen Sammlung von Sprichwörtern, die zu einzelnen Begriffen und Themen zusammengestellt sind, darunter vor allem solche, die im 19. Jahrhundert als besonders verbreitet galten. Erwartungsgemäß findet man da Sprichwörter wie „Alte Liebe rostet nicht“, „Frisch gewagt ist halb gewonnen“ oder „Träume sind Schäume“, aber auch heute weniger bekannte Beispiele wie „Lust und Liebe zum Ding macht Müh’ und Arbeit gering“. In seinen selbst verfassten kurzen Erklärungen zu 30 Sprichwörtern will Leineweber auch zeigen, wie diese zu einer moralischen Lebenshaltung beitragen können.
Im zweiten Teil seines Buches entpuppt er sich außerdem als Philologe mit Interesse an Kulturgeschichte, Sprachgeschichte und Volkskunde. Dieser enthält wissenschaftlich fundierte Erklärungen für über 300 sprichwörtliche Redensarten, die bis heute von Wert sind, auch weil etymologische und semantische Aspekte behandelt werden. Neben sprichwörtlichen Vergleichen („zittern wie Espenlaub“), sogenannten Paarformeln („mit Sack und Pack“), Redensarten aus der Antike („den gordischen Knoten lösen“) und aus der Bibel („ein Wolf in Schafskleidern“) handelt es sich zumeist um deutsche Wendungen, die erklärungsbedürftig sind, wie „etwas auf die lange Bank schieben“, „Fisimatenten machen“, „das Kind mit dem Bade ausschütten“ oder „sein Schäfchen ins Trockene bringen“. So ist „Die Weisheit auf der Gasse“ eine volkssprachliche Fundgrube, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und zugleich ein Lese- und Lernvergnügen bietet.