Diktator unerwünscht
Spuren eines rätselhaften Nachrichtendienstes des 3.Reiches
Bernd Willing
Im Zusammenhang mit Bauarbeiten wurde im Herbst 1999 Fluchtgepäck aus dem Amt 8 des Führungshauptamts ausgegraben, darunter auch etwas stark gülleverseuchtes Schriftgut. Archive lehnten deshalb eine Übernahme und jegliche Unterstützung ab. Die darauf hin selbst vorgenommene Analyse ergab einen tiefen Einblick in die wirtschaftliche Situation in den letzten Kriegsjahren. Ein vor Kriegsausbruch aus USA zurückgekehrter deutscher Wissenschaftler übt heftige Kritik an der vorgefundenen deutschen Produktionspraxis in Verbindung mit der völlig unzureichenden Verwertung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Er stellt seine vergeblichen Bemühungen vor und wechselt gegen Ende des Jahres 1943 aus seinem Betrieb in das o.g. Amt. Dort entsteht, vermutlich auch unter seiner Mitwirkung, ein komplettes Konzept für eine neue Reichsstelle, einen bisher völlig unbekannten Nachrichtendienst, welcher bisher uneffektive Vorgänger ablösen soll. Seltsam ist darin das Lob amerikanischer Demokratie in Form der betrieblichen Mitbestimmung und die Ablehnung des antiquierten Diktator-Prinzips. So wird vorgeschlagen, möglichst keine Gesetze zu verletzen. Reisende sollen für die Entnahme und Auswertung mitgeführter Unterlagen entschädigt werden. Statt von Welteroberung ist von Wettbewerb der Nationen die Rede. Natürlich steht als Hauptziel die Stärkung des Systems im Mittelpunkt, aber das war ja auch bei den Widerständlern um Stauffenberg der Fall. Es scheint so, dass es, neben der kommunistischen und militärischen, in Kreisen der technischen Intelligenz noch eine dritte Form von Widerstand gegen den Diktator gegeben hat.
Die aufgefundenen Dokumente waren zum Teil mit hoher Wahrscheinlichkeit Unikate, da es bundesweit keine internen Informationen über die Informationsabteilung 2 im Amt 8 gibt. Reste davon werden deshalb bruchstückhaft als „kommentierte Teil- oder Vollzitate aus unveröffentlichter, nicht mehr existenter inneramtlicher Quelle“ wiedergegeben und damit der Nachwelt bewahrt. Namen von Personen, soweit überhaupt noch ermittelbar, bleiben aus rechtlichen Gründen ungenannt.
Die hohe Brisanz dieses Teils des Fluchtgepäcks lässt vermuten, dass die erheblichen Erdarbeiten zur Vergrabung, insbesondere auch der mitgeführten Labortechnik, von hierzu gezwungenen Personen ausgeführt werden mussten, die man als Mitwisser beseitigt hat. Entsprechende Verdachtsmomente werden aufgeführt.