Emanzipation und Eugenik
Die Briefe der Fauenrechtlerin, Rassenhygienikerin und Genetikerin Agnes Bluhm an den Studienfreund Alfred Ploetz aus den Jahren 1901-1938
Johanna Bleker, Svenja Ludwig
Die Autorinnen möchten das Interesse an einer herausragenden Frauenpersönlichkeit der Weimarer Republik neu beleben und der Diskussion um Biopolitik und Frauenemanzipation einige Impulse geben. Sie porträtieren Agnes Bluhm, die für die Wissenschaft lebte, ohne die historischen Verwerfungen ihrer Zeit zu ignorieren. In den ersten 30 Jahren ihres Berufslebens wirkte sie als Frauenärztin, Sozialpolitikerin und radikale Frauenrechtlerin in Berlin. Später widmete sie sich als „Wissenschaftlicher Gast“ am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin der experimentellen Vererbungsforschung, legte viel beachtete Ergebnisse vor und sprach auf internationalen Fachtagungen. Eine andere Perspektive zeigt Bluhm als kompromisslose Rassenhygienikerin. Seit der Gründung der Gesellschaft für Rassenhygiene im Jahr 1906 sah sie es als ihre Aufgabe an, eugenische Ideen in der Frauenbewegung zu verbreiten. Hier stellt sich die Frage nach Mitschuld und Mittäterschaft an den Verbrechen des Nationalsozialismus. Die hier erstmals veröffentlichten Briefe Bluhms veranschaulichen, dass keine der beiden Sichtweisen isoliert bestehen kann. Die Dokumente vermitteln das komplexe Bild einer Persönlichkeit, die die rückblickend konstruierten Widersprüche vereinte und sachlich zu überwinden suchte. Die vorangestellte biografische Einführung fußt auf den für die Edition der Briefe notwendigen Recherchen. Sie soll Bluhms Lebenslauf und die Geschichte ihrer Freundschaft zu Alfred Ploetz beleuchten. Außerdem macht sie die Leserinnen und Leser mit dem wissenschaftlichen Werk Bluhms bekannt und bereichert die Diskussion über Feminismus und Eugenik um einige Aspekte.