Entscheidungshandeln im Sportspiel Fussball
Eine Analyse im Lichte der Rubikontheorie
Oliver Höner
„Denken lähmt, und Handeln macht gewissenlos!“ – diese Alltagsweisheit trifft auf zahlreiche Entscheidungshandlungen im Fussball zu. Sie gründet auf einer misslungenen Lösung des in der Kognitionspsychologie diskutierten Abschirmungs-Unterbrechungs-Dilemma der Handlungsteuerung: Einerseits müssen sich Spieler frühzeitig für Handlungsabsichten wie dem Alleingang mit Torabschluss entscheiden und dann ihre Aufmerksamkeit auf die Realisierung dieser Absicht konzentrieren (und nicht „gelähmt denken“). Andererseits müssen Spieler aufgrund der zeitlichen Dynamik des Fussballspiels offen für Veränderungen der Situation sein (und nicht „gewissenlos handeln“). Damit sind neben technischen Fertigkeiten und konditionellen Fähigkeiten im Fussball immer auch kognitive Fähigkeiten im Rahmen taktischer Entscheidungssituationen Spiel entscheidend.
Zentrales Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, den Realitätsbereich „Taktische Entscheidungshandlungen im Fussball“ als ein Sachproblem theoretisch angemessen zu beschreiben und zu erklären. Aus der Perspektive der strukturalistischen Wissenschaftstheorie werden auf Basis der kognitiv-handlungstheoretischen Rubikontheorie die Prozesse der (visuellen) Informationsaufnahme während des Entscheidungshandelns im Fussball analysiert. In einer Eye-Tracking-Studie mit DFB-Jugendnationalspielern wird u.a. gezeigt, dass Spieler in Entscheidungssituationen (laborsimulierte 3:2- und 3:3-Angriffe) die Weite der Informationsaufnahme im Verlauf des Entscheidungsprozesses rapide einengen. Es kann daraus für (wissenschaftlich interessierte) Trainer ein Hintergrundwissen entwickelt werden, das es ihnen im Lichte der Rubikontheorie erleichtert, die auf dem Abschirmungs-Unterbrechungs-Dilemma basierenden Fehler des Entscheidungshandelns besser zu „verstehen“.