Entscheidungsunterstützungssysteme in der medizinischen Versorgung
Entwicklung eines Akzeptanzmodells für medizinische Leistungserbringer auf Basis semi-strukturierter Leitfaden-Interviews
Dominik Seitz
Die Häufigkeit von Fehldiagnosen in der medizinischen Versorgung wird auf etwa 5 % aller Diagnosen geschätzt und die ökonomischen Folgen werden mit 5 bis 20 % der gesamten Gesundheitsausgaben beziffert. Chatbot-basierte Entscheidungsunterstützungssysteme (CDSS) mit dem Ziel der differentialdiagnostischen Unterstützung können dazu beitragen, die Anzahl der Fehldiagnosen zu reduzieren. Jedoch stehen eine mangelnde Akzeptanz der Anwender sowie eine unzureichende Integration dieser Systeme in den Alltag medizinischer Leistungserbringer einem flächendeckenden Einsatz und somit der Realisierung dieser Potenziale entgegen.
Die Doktorarbeit zeigt Lösungen für die beiden genannten Herausforderungen auf. Die Ergebnisse basieren auf einer Literaturrecherche sowie semi-strukturierten Leitfaden-Interviews mit 26 medizinischen Leistungserbringern.
Der wahrgenommene Nutzen repräsentiert die bedeutendste Variable zur Beschreibung der Akzeptanz von CDSS. Die Befragten erwarten durch den Einsatz von chatbot-basierten CDSS vor allem eine vollständigere Anamnese, Vorschläge für das weitere Vorgehen bzw. zu stellende Fragen und die Erkennung seltener Krankheiten, wodurch insgesamt die Qualität des diagnostischen Prozesses optimiert werden kann. Zudem werden Vertrauen in CDSS, der erwartete Aufwand, die Patientenklientel und erleichternde Rahmenbedingungen als bedeutende Variablen zur Beschreibung der Akzeptanz identifiziert. Die Integration von CDSS in die medizinische Versorgung wird in 3 Szenarien beschrieben. Im ersten Szenario verwenden die Patienten chatbot-basierte CDSS im privaten Umfeld, wodurch insbesondere den Empfehlungen des CDSS zur Dringlichkeit und der Wahl des geeigneten Facharztes eine relevante Steuerungswirkung zukommt. In Szenario 2 verwenden die Patienten chatbot-basierte CDSS im Wartezimmer der Arztpraxis und im dritten Szenario nutzt der Arzt als ausschließlicher Anwender das CDSS.
Der Nachweis, dass die mit CDSS verknüpften Potenziale in den Versorgungsalltag übertragbar sind, bleibt ausstehend und medizinische Leistungserbringer scheinen für die regelhafte Anwendung von CDSS unzureichend vorbereitet und incentiviert. Durch die Integration von digitaler Gesundheitsversorgung in das Medizinstudium und die Einführung einer qualitätsorientierten Vergütungskomponente könnte sich dies ändern. Trotz bestehender Herausforderungen herrscht unter den Befragten weitgehende Einigkeit darüber, dass CDSS zukünftig eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung einnehmen werden.