Ethische Aspekte der medizinischen Altersschätzung bei unbegleiteten minderjährigen Migrantinnen und Migranten
Marius Leander Huesmann
Ist das Alter von unbegleiteten minderjährigen Migrantinnen und Migranten bei der Einreise nach Deutschland nicht sicher nachweisbar, kann eine medizinische Altersschätzung angeordnet werden. Diese Dissertation analysiert zum einen, ob die medizinische Altersschätzung geeignet ist, eine Minder- oder Volljährigkeit bei Personen nachzuweisen, die ein Alter von 16 oder 17 Jahren angeben, und zum anderen, wie diese Altersschätzung medizinethisch zu bewerten ist. Hierfür wurden die von der Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin derzeit empfohlenen Methoden (körperliche Untersuchung, Röntgenuntersuchung der Hand, der Weisheitszähne, der Schlüsselbeine) auf ihre Aussagekraft hin untersucht. Die Ergebnisse wurden auf Basis der vier medizinethischen Prinzipien von Beauchamp und Childress (Wohltun, Nicht-Schaden, Gerechtigkeit und Respekt vor der Autonomie) diskutiert. Es zeigt sich, dass keine der genannten Untersuchungsmethoden geeignet ist, bei einem angegebenen Alter von 16 oder 17 Jahren sicher eine Minder- oder Volljährigkeit nachzuweisen oder auszuschließen. Zudem sind diese Untersuchungen aus medizinethischer Perspektive in vielerlei Hinsicht problematisch, sodass die medizinische Altersschätzung in der übergroßen Mehrheit der Fälle derzeit aus ethischen Gründen nicht zu rechtfertigen ist.