Flucht und Vertreibung im Familiengedächtnis
Geschichte und Narrativ
Susanne Greiter
Die herausragende Leistung von Flucht und Vertreibung im Familiengedächtnis besteht ohne Zweifel darin, dass es in bemerkenswerter Weise gelungen ist, aus einer kaum noch überschaubaren, interdisziplinär ausgerichteten Forschung ein komplexes methodisches Instrumentarium aus Oral History, Generationenansatz und Erinnerungsgeschichte zu entwickeln und dies im Umgang mit 38 Interviewpartnern aus 18 Familien aus böhmischen Ländern, Schlesien, Pommern, Ostpreußen und Russland, deren Gemeinsamkeit der Bezug zur Region Ingolstadt ist, fruchtbar zu machen. Interessant und spannend zugleich ist die Anwendung von sozial- und kulturwissenschaftlichen Konzepten wie kulturelle Kodes, mental maps oder spatial turn in der Analyse der lebensgeschichtlichen Erzählungen.
Die durch Transkription der Interviews gewonnenen narrativen Texte bilden die Quellenbasis der Studie. Sie werden literturwissenschaftlich und historisch fundiert interpretiert und kontextualisiert. Das Erkenntnisinteresse richtet sich hierbei in Korrespondenz mit der kulturellen und kommunikativen Erinnerung sowie mit den verschiedenen »Opfergedächtnissen« auf bestimmte Muster intergenerationeller Verarbeitung der vielschichtigen Erfahrungen von Zwangsmigration um das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Zenral geht es auch um die Frage der Zukunft dieser Erinnerungen.