Fortschrittsfeinde im Atomzeitalter?
Protest und Innovationsmanagement am Beispiel der frühen Kernenergiepläne der Bundesrepublik Deutschland
Rolf J Gleitsmann, Günther Oetzel
Die Karlsruher Studien zur Technikgeschichte haben sich zum Ziel gesetzt, technischen Wandel im Kontext seines historischen Umfeldes zu analysieren und darzustellen. Dabei sollen jene Zusammenhänge herausgearbeitet werden, aus denen heraus Technik entsteht und in denen Technik wirkt.
Was eignet sich besser dazu, als die Anfänge der Protestbewegung gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie am Beispiel des freilich erfolglosen Widerstandes gegen den Bau des Forschungsreaktors in Karlsruhe zu untersuchen.
Zwar hatten die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki große Angst vor einem Atomkrieg erzeugt. Umso größer aber waren die damaligen Hoffnungen auf eine friedliche Nutzung der Kernenergie. Diese Hoffnung wurde geschickt geschürt durch die ‚atoms for peace‘-Kampagne der USA, so dass ein regelrechter Wettlauf sowohl um die amerikanischen Forschungsreaktoren als auch um den Aufbau einer eigenen nationalen Atom-Industrie einsetzte, um den Anschluss an diese Zukunftstechnologie nicht zu verpassen.
Da wirkten die Gegner dieser Entwicklung nur als störende Fortschrittsfeinde. Wer hätte sich damals vorstellen können, dass kaum 60 Jahre später zumindest in Deutschland, das Ende der friedlichen Nutzung der Kernenergie nur noch eine Frage weniger Jahre ist. Das Ende einer Technik, die von vielen heute selbst als anachronistisch angesehen wird.