Friedrich Christoph von Goerne (1734 – 1817)
Selbstherrlicher Minister König Friedrichs II. oder Spielball seiner Sekretäre und fremder Magnaten?
Rolf Straubel
Friedrich Christoph von Goerne gilt gemeinhin als das Zerrbild eines korrekten, pflichtbewußten preußischen Beamten, hat er doch nicht nur seine ministeriellen Obliegenheiten grob vernachlässigt, sondern durch Mißwirtschaft, Fahrlässigkeit und Verschwendung die ihm anvertraute Seehandlung fast in den Ruin geführt. War aber wirklich der Edelmann allein Schuld an der Misere von 1782, hätte nicht auch jeder andere an den Grundfehlern scheitern müssen, die bei Errichtung der Sozietät 1772 gemacht worden sind? Im Ergebnis der hier vorgelegten Untersuchung erscheint F. C. von Goerne ungeachtet all seiner Fehler und Amtsverstöße eher als Getriebener: getrieben von Friedrich II., von seinen Berliner und Warschauer Gewährsmännern, von polnischen Würdenträgern und Magnaten sowie nicht zuletzt vom eigenen Ehrgeiz. Zudem muß seine Ernennung zum Minister als personalpolitischer Fehlgriff gewertet werden. Es ist unverständlich, wieso der ob seiner Menschenkenntnis gerühmte Monarch so lange an einem Mann festhielt, der seine Weisungen offenkundig in den Wind schlug und sich bei der Leitung seines Ressorts ziemlich selbstherrlich gerierte. Die Auswertung von einigen hundert Briefen, die in den Jahren 1776 bis 1782 zwischen Berlin und Warschau gewechselt wurden, zeigt nicht nur die erheblichen Spielräume auf, über die entgegen herkömmlichen Vorstellungen hohe friderizianische Beamte verfügten, sondern wirft auch ein bezeichnendes Schlaglicht auf die inneren Verhältnisse in der polnischen Adelsrepublik, in der es zahlreiche Parteien gab, die sich zwar beständig auf das Beste der Nation beriefen, in Wirklichkeit jedoch meist nur egoistische Interessen verfolgten.