Friedrich Goldmann – Der Weg zur „5. Sinfonie“
Essay I, Essay II, Essay III – Klangszenen I, Klangszenen II, Klangszenen III
Reiner Kontressowitz
Der Komponist Friedrich Goldmann (1941–2009) bewegte sich in unterschiedlichen Musikgattungen. Er erreichte ab Ende der 70er Jahre in Deutschland (Ost und West), wie international eine herausragende Reputation. Neben den Vokalwerken und einem Bühnenwerk wurden vor allem seine Orchesterwerke und Kammermusiken überall auf der Welt gespielt; auch posthum: Das Londoner Philharmonia Orchestra würdigte beispielsweise Friedrich Goldmann anlässlich seines 75. Geburtstags in der Royal Festival Hall mit einem Portraitkonzert. Impulse setzte Goldmann für die Neue Musik – ebenso für die Ausbildung junger Komponisten/innen (unter ihnen: Enno Poppe, Helmut Oehring, Arnulf Herrmann, Steffen Schleiermacher, Charlotte Seither, Paul Frick, Olav Kröger, Ellen Hünigen, Hanspeter Kyburz, Nicolaus Richter de Vroe).
Reiner Kontressowitz, der ein Jahrzehnt lang als Lektor im Musikverlag, Freund und Musikwissenschaftler den Komponisten und sein Werk begleitete, stellt in dem vorliegenden Band zwei eminent wichtige Werkgruppen vor. Aus den Jahren 1964 bis 1971 sind es die Essays I bis III – aus den Jahren 1990 bis 2003 die Klangszenen I bis III. Beide Gruppen sind zeittypische Zeugnisse des gesellschaftskritischen Komponierens.
Das Kombinieren unterschiedlicher Klangfelder und deren innere Bewegung und Dynamik hat bereits den jungen Friedrich Goldmann interessiert. Er beschäftigte sich in den 1960er Jahren mit dem Phänomen von Massenereignissen. Sein Augenmerk richtete sich auf Polaritäten innerhalb von Massenereignissen, die nicht mehr exakt ausnotiert sind. Sie spiegeln wider, dass auch ein aufführendes Orchester optisch deutlich macht, dass hier achtzig oder hundert Leute agieren, von denen mitunter jeder unter gewissen Voraussetzungen etwas anderes spielt.
In den drei „Klangszenen“ setzt Goldmann Klänge und Geräusche als zutiefst sinnlich geprägte Kompositionen in Szene. Es sind Klänge und Geräusche, bei denen uns der Komponist miterleben lässt, wie sie ihren Raum und die Form konstituieren. Das Erlebnis des Hörens ist das Erleben des Werdens und Wachsens einer Komposition.
Vor dem Hintergrund einer eingehenden Werkanalyse rückt die Frage in den Blickpunkt, inwieweit die „Klangszenen“ als Basis für eine »5. Sinfonie« gesehen werden können, über die Goldmann sechs Jahre vor seinem Tod nachdachte.