Fünf Jahre EU-Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru
Europäische Werte auf dem Prüfstand
Thomas Fritz
Im Jahr 2018 wird das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kolumbien und Peru fünf Jahre vorläufig angewendet. Nachdem der Europäische Rat, das Europäische Parlament sowie die Parlamente Perus und Kolumbiens ihre Zustimmung erteilten, ist das Abkommen mit Peru bereits seit März 2013, mit Kolumbien seit August 2013 vorläufig in Kraft. Es ist eines der umstrittensten Handelsabkommen der Europäischen Union.
Die Verhandlungen wurden durch eine intensive Kampagne von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Peru, Kolumbien und der EU begleitet. Sie warnten wiederholt vor den erheblichen menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Risiken dieses Handelsvertrags und erinnerten die EU an ihre diesbezüglichen Verpflichtungen.
Auch die internationalen Gewerkschaftsdachverbände in Europa und Amerika erklärten sich mit kolumbianischen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen solidarisch und lehnten das Abkommen geschlossen ab. Sie forderten das Europäische Parlament (EP) auf, wegen der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und der grassierenden Straflosigkeit in Kolumbien, gegen den Vertrag zu stimmen. Doch vergebens. Nachdem der Rat bereits grünes Licht gegeben hatte, erteilte das EP im Dezember 2012 seine Zustimmung.
Die BefürworterInnen des Abkommens in der EU-Kommission und im Europaparlament wurden nicht müde, den angeblichen Nutzen des Abkommens nicht nur für europäische Exporteure, sondern auch für die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung der beiden Andenstaaten zu loben. Laut EU-Kommission biete der Handelsvertrag eine Gelegenheit, „den Wohlstand dieser Länder zu mehren, ihr Wachstum zu konsolidieren und so die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.“5 Die Zollsenkungen der EU gegenüber Kolumbien und Peru könnten „zur nachhaltigen Steigerung der Wertschöpfung ihrer Volkswirtschaften beitragen“.
Hohe Erwartungen weckte auch das Europaparlament. In einer Entschließung schrieben die Abgeordneten, Ziel des Abkommens sei „die Förderung einer umfassenden Wirtschaftsentwicklung, um die Armut abzubauen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und den Lebensstandard zu verbessern“. Der Vertrag enthalte daneben „umfassende und verbindliche Bestimmungen (…), die den Schutz der Menschenrechte garantieren“. Die Abgeordneten behaupteten ferner, „dass das Handelsübereinkommen Garantien dafür bietet, dass die neue Architektur der Handels- und Investitionsbeziehungen der EU einem weitreichenden Sozial- und Umweltschutz sowie der nachhaltigen Entwicklung zugute kommt“.
Nachdem das Abkommen nun fünf Jahre vorläufig angewendet wird, ist es an der Zeit, die durchaus optimistischen Erwartungen seiner BefürworterInnen auf den Prüfstand zu stellen. Hat sich dank des Handelsvertrags mit der EU tatsächlich die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung in den beiden Andenstaaten verbessert? Konnten die Wertschöpfung gesteigert, die Armut abgebaut und die Arbeits- und Lebensbedingungen verbessert werden? Haben sich die „Garantien“ für den Menschenrechts-, Sozial- und Umweltschutz bewährt? Auf den folgenden Seiten sollen erste Antworten gegeben werden, soweit dies die bisherigen empirischen Erkenntnisse erlauben. Zunächst aber ist es erforderlich, kurz die Geschichte des EU-Abkommens mit den Andenstaaten zu resümieren.