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Soma Morgensterns Midrasch »Die Blutsäule« und der jüdisch-theologische Diskurs über die Shoah
Ruth Oelze
Das Werk des erst nach seinem Tod wiederentdeckten galizischen Schriftstellers Soma Morgenstern ist geprägt von der Identitätssuche des jüdischen Intellektuellen im 20. Jahrhundert. Geflohen aus der Enge der orthodoxen Welt seiner Vorfahren, entwickelt er sich im aufgeklärten Westen zu einem entschiedenen Gegner der Assimilation, da er die Sinnlosigkeit jeder Anpassung erkennt. Dem wachsenden Antisemitismus begegnet er mit stolzer Betonung seiner jüdischen Wurzeln. Nach der Shoah wendet er sich im amerikanischen Exil vom christlichen Europa ab, dem er die religiöse Schuld an diesem Massenmord zuweist. Seinen Roman „Die Blutsäule“ schreibt er gleichwohl in einem ganz eigenen Deutsch mit vielen Anklängen an die Sprache der Bibel; insofern diese Sprache zugleich die der „verhassten“ Täter bleibt, entsteht eine stilistische und ethische Spannung, die ein wesentliches Kennzeichen der Romankonstruktion ist. Inszeniert wird eine große irdische und überirdische Gerichtsverhandlung über die Täter – und über Gott, der dies alles zugelassen hat. Zum Ausgleich ertrotzen die Leitfiguren das Land Israel als neue Heimat des jüdischen Volkes. Fünfzig Jahre nach seiner Entstehung bereichert dieser zunächst befremdende Roman die deutsche Shoahliteratur um eine besondere Facette. In der vorliegenden Studie wird dessen religiöser wie zeitgeschichtlicher und literarischer Hintergrund auf der Folie der vielfältigen Diskurse über die Shoahliteratur rekonstruiert.