Gablonzer Christbaumschmuck
Herstellung und Verarbeitung hohlgeblasener Perlen
Evelyn Ulzen, Jürgen Ulzen
Die Herstellung des Gablonzer Weihnachtsschmuckes hat eine lange Tradition. In der kargen Gegend des Riesen- und Isergebirges mit dem Handelsplatz Gablonz an der Neiße, wo Ackerbau im größeren Umfang schwer möglich war und wo es außer den einzelnen Glashütten weiter keine Erwerbsquellen gab, hielten die dort wohnenden Menschen Ausschau nach Arbeitsmöglichkeiten die sich im Hause verrichten ließen. Dadurch entwickelte sich im Zusammenhang der Glasbranche und Bijouterie eine große Heimindustrie.
So wurden u.a. in den Familien aus Glasröhren, den Halbfabrikaten aus den Glashütten, die Perlen vor der „Lampe“, der Energiequelle in Form eines Öllämpchens mit Blasebalgverstärkung, oder später mit einer Art Bunsenbrenner aufgeblasen. Auf diese Weise entstanden die frei aus der Hand ohne formgebende Hilfsmittel aufgeblasenen sogenannten „Freihandperlen“. Später blies man die Glasröhren, auch wieder vor der „Lampe“, mit Hilfe einer in dieser Region entwickelten Perlenformmaschine zur „Formperle“ auf. Es wurden Formen entwickelt, die bis zu 10 cm lange Abschnitte mit aneinandergereihten Perlen, die sogenannten Klautsche, entstehen ließen. Mit dem „Feilmesser“ wurden die Perlabschnitte getrennt. Die einzelnen Perlen oder Klautsche erhielten noch einen Silber- oder Farbeinzug.
Vater und Großvater waren in der Regel für das Aufblasen der Perlen zuständig. Dieses Perlenmaterial reihten fleißige Hände von Mutter, Großmutter und Kindern auf Draht zu bestimmten Formationen. Es entstanden Miniaturnachahmungen von Gegenständen aus dem täglichen Gebrauch, Darstellungen aus der Tierwelt, Phantasiegebilde, technische Neuerungen wie der Zeppelin, die Eisenbahn, das Auto. Die Familien wetteiferten im harten Konkurrenzkampf um eine originelle Gestaltung bei den glitzernden Weihnachtsbaumanhängern.
Die Vielfalt als Ergebnis der Hausindustrie reicht über Flugzeug, Schlitten, Puppenwagen, Fahrrad, Schere, Libelle, Spinne, Stern, Küchenrolle, Schmetterling bis hin zur Kanone.
In der gleichen Weise wie früher werden auch heute noch die Weihnachtsbaumanhänger mit hohlgeblasenen Perlen gefertigt. Jedes einzelne Objekt ist in all seinen Herstellungsstufen von Hand gefertigt, wie „vor 100 Jahren“. Die heutigen Stücke unterscheiden sich zu den alten nur dadurch, daß der Silbereinzug noch nicht verblaßt oder an den Lochrändern geschwärzt ist, Kerzenreste mit vereinzelten Tannennadeln sind noch nicht durch etliche Weihnachtsfeste an ihnen verklebt, die Drähte sind noch nicht angerostet – Spuren, die wir bei den alten Objekten nostalgisch einkalkulieren.
Für alte Objekte werden im Handel oder in den alljährlichen Weihnachtsauktionen Summen zwischen DM 30,- und 200,- gezahlt.
So sind die heute hergestellten Objekte mit hohlgeblasenen Perlen nicht nur vom Erscheinungsbild, sondern auch vom finanziellen Aspekt her wirkliche Kostbarkeiten.
Außer den hohlgeblasenen Perlen wurden neben der Verwendung anderer untergeordneter Materialien auch Rocaillesperlen (die kleinen, fast runden, gläsernen Perlen, die uns aus der Biedermeierzeit geläufig sind) und Glasstifte (längere Abschnitte aus feingezogenen Röhren) für diese Art Weihnachtsschmuck verwendet.
Objekte aus Rocaillesperlen und Glasstiften sind in Anlehnung an den traditionellen Christbaumschmuck gefertigt. Die Röhren, aus denen die Stifte geschnitten werden, sind hier noch zusätzlich zur üblichen Herstellung gedreht. Durch diese besondere glastechnische Fertigungsweise, die speziell für den Christbaumschmuck wieder aufgegriffen wurde, wird die Lichtbrechung bei den Objekten am Weihnachtsbaum erhöht.
Sowohl die hohlgeblasenen Perlen oder Klautsche, wie auch die Rocaillesperlen und Glasstifte haben einen ,echten“ Silbereinzug.