Gedächtnis und Geschichte in Generationenromanen seit der Wende
Friederike Eigler
Uneinigkeit besteht derzeit darüber, wie die Konjunktur von Generationenromanen in der neuen Bundesrepublik einzuschätzen ist. Entgegen einer verbreiteten Vorstellung, dass die familiengeschichtliche Perspektive automatisch mit einer Privatisierung und Verharmlosung historischer Zusammenhänge einhergeht, zeigt Friederike Eigler in dieser Studie, dass die Auseinandersetzung der zweiten und dritten Autorengeneration mit dem vielfach gestörten Generationengedächtnis neue literarische Möglichkeiten eröffnet. Sie geht damit der zentralen Frage nach, wie in dem populären Genre des Generationenromans die Erbschaften von Nationalsozialismus, DDR-Sozialismus und der alten BRD literarisch gestaltet werden.
Eigler skizziert zunächst dominante Tendenzen im kulturellen Gedächtnis der Bundesrepublik und diskutiert dann unterschiedliche Gedächtnistheorien hinsichtlich ihrer Relevanz für literaturwissenschaftliche Analysen.
Im Zentrum des Buches stehen exemplarische Textanalysen zu Generationenromanen von Zafer Senocak, Kathrin Schmidt, Monika Maron und Stephan Wackwitz. Eigler liest diese Texte als genuin literarische Beiträge zu aktuellen Gedächtnisdiskursen. Diese greifen kaum mehr auf ‚authentische‘ Erinnerungen zurück, sondern arbeiten gezielt mit verschiedenen Gedächtnismedien wie Texten, Fotos und Körpern. In ihrer Gesamtheit zeugen die behandelten Generationenromane von einer historischen Aufbruchsphase nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges, in der auf die ideologischen Verblendungen des 20. Jahrhunderts zurückgeschaut und deren Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein reflektiert wird.