«Gegenwärtiger Angriff», «drohende» und «gegenwärtige Gefahr» im Notwehr- und Notstandsrecht
Eine Studie zu den temporalen Erfordernissen der Notrechte unter vergleichender Einbeziehung der Gefahrerfordernisse des Polizeirechts
Dominik Ludwig
Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, aus den Grundgedanken der Notrechte Kriterien zur näheren Bestimmung des «gegenwärtigen Angriffs» bei der Notwehr und der «drohenden» bzw. «gegenwärtigen Gefahr» im Notstandsrecht zu entwickeln. Ein Kernstück der Arbeit bildet die Untersuchung der ratio der Notwehr. Dabei wird nachgewiesen, daß deren rigorose Ausgestaltung im geltenden Recht entgegen der herrschenden Notwehrdeutung nur durch eine individualistische, auf die Interessenlage des Angreifers abstellende Konzeption zu erklären ist. Andererseits wird begründet, daß diese nicht notwendigerweise die Berücksichtigung des Solidaritätsprinzips ausschließt, und es wird vorgeschlagen, das polizeirechtliche Proportionalitätserfordernis auch auf das private Notwehrrecht zu übertragen. Bei der Bestimmung der Kriterien der «drohenden» bzw. «gegenwärtigen Gefahr» wird zwischen Defensiv-, Aggressiv- und entschuldigendem Notstand differenziert, und es werden Verbindungen zwischen diesen Notrechten und den parallelen Regelungen im Polizeirecht aufgezeigt.