Gemeyne Leute
Alltagsbegebenheiten der Luther-Zeit in Sachsen
Helmut Bräuer, Eckhard Klöthe
Wie kann man Probleme der Sozial- und Mentalitätsgeschichte der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Sachsen einem Lesepublikum nahebringen, das Quellenkritik, tiefgründige Analyse, strenge Wissenschaftssprache und einen umfassenden Apparat nicht unbedingt benötigt, aber dennoch den Geist der Zeit erfassen und sich von ihm einfangen lassen will?
Mit neun Episoden, die zwischen Leipzig, Annaberg, Grünhain, Zwickau und Chemnitz ihre Handlungsorte haben und auf solidem historischem Boden angesiedelt sind, hat der Leipziger Historiker über diese Frage nachgedacht und überzeugende literarische Antworten gefunden. Der Leser begleitet ein lepröses Kind in den Chemnitzer Siechhof, erlebt ein Klöppelweib bei ihrem Annaberger Verleger, geht mit einem altenburgischen Bauernburschen auf Arbeitssuche ins geschäftige Leipzig, wirft einen Blick in ein städtisches Frauenhaus, wird in einen Streik von Zwickauer Bauleuten verwickelt, nimmt am Sturm auf Kloster Grünhain teil, liest in den Annalen eines Zwickauer Bäckers, zieht mit einem Bettler umher und bekommt Auskunft, wie man ein altes Weib zur »Hexe« macht und verbrennt.
In einem Nachwort äußert sich der Autor als Historiker über den Standort dieser »gemeynen Leute« wie über das Verhältnis von historischer Realität und Möglichkeit, von quellenmäßig belegbarer und »freier« Darstellung.