Gesellschaft und Kultur in der Endzeit des Realsozialismus.
Werner Rossade
Der Autor untersucht seinen Gegenstand, den sogenannten real existierenden Sozialismus, zum erstenmal als Komplex von soziokulturellen Mustern (Praxisformen): von Lebensweise und Lebensstilen, Leistungsmustern und politischer Kultur, hauptsächlich anhand von Materialien aus der DDR und der UdSSR. Ethnosoziologischer Ansatz und weit gefaßter Kulturbegriff öffnen den Blick für die reale Beschaffenheit dieses Gesellschaftstypus in seiner zunehmenden Erstarrung und Stagnation. Der Verfasser zeigt ihn als Niedergangs- und Auflösungsstadium des sowjetisch geprägten Frühsozialismus nach dem Entwicklungsbruch von Mitte der fünfziger Jahre. In diesem Stadium verlor das System mehr und mehr seine innovativen Potenzen. Dafür suchte es nach Ersatz im westlichen Konkurrenz- und Partnersystem, zu dem es sich immer noch als Alternative darstellte. Der Realsozialismus wollte sich aus dem westlichen Kapitalismus ebenso wie aus überholten Praktiken und Traditionen der Vergangenheit regenerieren, zu seiner Legitimation aber gleichzeitig von alldem abgrenzen. An solcher Unvereinbarkeit ist er letztlich zerbrochen.
Diesen Vorgang analysiert der Verfasser in den verschiedenen relevanten Politikbereichen wie auch in der Alltagskultur und im geistigen Leben der realsozialistischen Gesellschaft. Material- und ideenreich relativiert das Buch manche verfestigte Vorstellung und regt zu weiterer Forschung aus der Sicht von Demokratie und der Frage nach authentischem Sozialismus an. Weitgehende Untergliederung und ein ausführliches Register erleichtern den Zugang zu den enthaltenen Informationen und Denkanstößen.