GlasWerk
Pascale Seil, Christian Schmidt, Gabriele Küstner
GlasWerk
Glas ist Unordnung und ein ganz besonderer Stoff
Es ist schwer vorstellbar, dass das Schmelzen von so etwas profanem wie Sand mit ein bisschen Kalk, Soda und Potasche ein Material hervorbringt, dass als Synonym für Transparenz, Klarheit aber auch Zerbrechlichkeit steht.
Der Trick bei der Glasherstellung ist das schnelle Abkühlen der Schmelze. Die Kristallkeime im Glas haben einfach nicht genug Zeit den Kristallisationsprozess in geordneten Strukturen zu Ende zu bringen. Was dabei entsteht und was wir als fest wahrnehmen, ist daher thermodynamisch streng genommen eine unterkühlte Flüssigkeit. Manche Forscher bezeichnen den Glaszustand sogar als vierten Aggregatzustand zwischen Festkörper und Flüssigkeit.
Durch die Beimischung bestimmter Substanzen, sogenannter Zuschlagstoffe, können die Eigenschaften des Glases bestimmt werden. Auch die Farbgebung geschieht durch die Zugabe bestimmter Stoffe. Die Zugabe von Metalloxiden nennt man Ionenfärbung. Hierbei werden bestimmte Wellenlängen des weißen Lichts absorbiert und wir nehmen eine Färbung des Glases wahr. Bei der Anlauffärbung wird das Glas zusätzlich zur Zugabe von z.B. Cadmiumsulfid oder Cadmiumselenid getempert, also über lange Zeit erhitzt. Das Glas ist zunächst farblos, läuft aber über die Dauer des Prozesses in den farbigen Bereich an. Bei der dritten Glas-Färbetechnik werden Metallsalze zugegeben. Auch hier entsteht zunächst ein farbloses Glas. Durch die Temperatubehandlung werden Kolloide, Metalltröpfchen, aus der Glasmatrix ausgeschieden. Die Farbgebung entsteht durch die Absorbtion des Lichtes und dessen Streuung an den Kolloiden.
Trinken, Aufbewahren, Hindurchsehen. Glas begleitet uns in unserem Alltag – und das schon seit Jahrtausenden.
Bereits bevor Menschen selbst Glas herstellen konnten, verwanden sie, wegen seiner außergewöhnlichen Härte, Obsidian und Tektite, vulkanisches Gesteinsglas, als Werkzeug. Wann Glas erstmals von Menschenhand hergestellt wurde, ist nicht bekannt. Die frühsten Funde stammen aus dem Vorderen Orient und wurden auf 3500 v.u.Z. datiert. 1500 Jahre später hatten sich unabhängig voneinander schon Menschen in Ägypten, dem griechischen Mykene, China und Nordtirol die Kunst der Glasherstellung angeeignet. Wahrscheinlich wurde die neue Technologie ganz zufällig entdeckt, beim Brennen von Töpferwaren – die durch die Verunreinigung mit etwas kalkhaltigen Sand und Salz eine Glasglasur erhielten. Es dauerte noch einmal 500 Jahre, bis erste dickwandige Gefäße hergestellt werden konnten. Dabei wurde die von 1400 auf 900 Grad abgekühlte Masse um einen festen Sandkern geformt. Der nächste enorme Entwicklungsschritt gelang den Syrern. 200 v.u.Z. entwickelten sie die Glaspfeife, ein Eisenrohr, welches es erlaubt Glas zu blasen. Die neue Technik ermöglichte Formenvielfalt und filigrane Wandstärken. Mit dem Untergang des römischen Reiches 400 n.u.Z. ging umfangreiches Wissen der Glashersteller und -blässer verloren. Nicht zuletzt die für uns heute legendäre venezianische Glaskunst ließ das Handwerk ab dem 10. Jhd. wieder aufleben. In den folgenden Jahrhunderten wurden immer neue Techniken entwickelt, Glas zu färben, die Oberfläche zu bearbeiten und zu gestalten, große Glasplatten herzustellen und vieles mehr. Bis hin zur Industrialisierung der Glasproduktion im 19. Jhd..
Auch in der Großregion haben Glasherstellung und Glaskunst eine lange Tradition. Bereits im 15. Jhd. hatten sich hier internationale Künstler und Handwerker angesiedelt. Zum grenzüberschreitenden Arbeiten gesellte sich ein gutes Stück Internationalität, denn viele kamen aus den Glashochburgen Italien und Böhmen. Um 1900 arbeiteten in der Großregion bis zu 4000 Menschen im Wirtschaftszweig Glas, der die gesamte Palette vom Kunstobjekt bis zur industriellen Fertigung abdeckte.
Anja Petschauer