Herrschaft und Loyalität in der spätosmanischen Gesellschaft
Das Beispiel der multikonfessionellen Herzegowina
Hannes Grandits
Die Reformer der Tanzimat, des großen, am „Westen“ ausgerichteten osmanischen Modernisierungsprojekts im 19. Jahrhundert, versuchten angesichts einer fortschreitenden europäischen Expansionspolitik das Bestehen des Osmanischen Reiches zu retten. Ein zentraler Aspekt war hierbei eine „Erneuerung“ der herrschaftlichen Ordnung. Als Folge wurden in vielen Bereichen – nicht nur in der gesamtstaatlichen Regierungspraxis, sondern auch regional und lokal – selbst tief etablierte Machtbeziehungen radikal in Frage gestellt. Bis in die entferntesten Provinzen war dieser Reformanlauf zu spüren. Am Beispiel einer der vielen multikonfessionellen, multiethnischen Regionen des spätosmanischen Südosteuropa, jener der Herzegowina, zeigt dieses Buch, wie sich das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen verschiedener sozialer und konfessioneller Zugehörigkeiten in dieser Zeit gestalten konnte und wie es von dem auf die Agenda gesetzten „Aufbruch in die Moderne“ betroffen wurde. Mit besonderem Interesse wird dabei auf alltägliche Macht- und Loyalitätsbeziehungen geblickt. Letztlich wird dabei auch der Frage nachgegangen, wieso in den 1870er Jahren im sogenannten Herzegowinischen Aufstand diese Region in eine gewaltüberschattete Anarchie schlittern konnte.