Herrschaftsumbruch und Historiographie
Zeitgeschichtsschreibung als Krisenbewältigung bei Alexander von Telese und Falco von Benevent
Markus Krumm
Mit der Gründung des Königreichs Sizilien durch Roger II. († 1154) ist eine ambivalente Meistererzählung verbunden: Einerseits galt das neue Königreich lange Zeit als erster moderner Staat im Mittelalter; andererseits habe eben dieser Staat konsequent die Herausbildung städtischer Kommunen im Süden und somit die Entwicklung der ganzen Region behindert. Dieses Narrativ ist in der jüngeren Forschung vielfach dekonstruiert worden, wirkt aber fort bei der Interpretation der beiden wichtigsten Geschichtswerke, die über die konfliktreiche Gründung des Königreichs berichten: der des Abtes Alexander von Telese und dem des städtischen Richters Falco von Benevent. Beide Texte werden bis heute als paradigmatisch für die „zwei Italien“ wahrgenommen, der eine als Hofgeschichtsschreibung, der andere als repräsentatives Zeugnis einer kommunalen Sicht auf den tyrannischen König. In der vorliegenden Studie werden die beiden Werke erstmals konsequent aus der Perspektive ihrer lokalen Entstehungskontexte und im Hinblick auf ihre jeweilige pragmatische Funktion analysiert. Im Ergebnis werden die beiden Autoren als historische Akteure greifbar, die sich keineswegs so eindeutig zuordnen lassen, wie bisher angenommen.