Hildegard von Bingen – Lieder
Riesencodex (Hs. 2) der Hessischen Landesbibliothek Wiesbaden fol. 466 bis 481v
Michael Klaper, Lorenz Welker
Diese Publikation soll das Werk der außergewöhnlichen Musikerin Hildegard erschließen, von der über 70 Gesänge und ein geistliches Spiel bekannt sind – von ihr stammen sowohl die Texte als auch die Melodien. Im „Riesencodex“ der Hessischen Landesbibliothek in Wiesbaden, der aus 481 Pergamentblättern im Format 46 mal 30 cm besteht, ist das Werk der Hildegard von Bingen in einer Art „Gesamtausgabe“ aufbewahrt: ihre theologischen Schriften, ihr umfangreicher Briefwechsel und ihre Gesänge. In der Anlage des Codex als „Gesamtausgabe“ zeigt sich damit ein Anspruch, der ebenso außergewöhnlich ist wie die Tatsache, dass damals eine Frau des 12. Jahrhunderts als Verfasserin geistlicher Musik bekannt war. Die Faksimile-Ausgabe des musikalischen Teils des „Riesencodex“ macht diese umfangreiche Quelle für die dichterisch-musikalischen Werke der Hildegard allgemein verfügbar. Mehrere Tabellen schlüsseln den Inhalt der Handschrift und des Gesangsteils auf und stellen ergänzende Informationen über das Gesangsrepertoire bereit: seine Darbietungsprinzipien und aus dem Vergleich mit anderen Hildegard-Quellen sich ergebende Besonderheiten. In zusätzlichen Abbildungen wird die gesamte bislang bekannte Streuüberlieferung Hildegardscher Gesänge mit musikalischer Notation dokumentiert. Die Notenbeispiele in moderner Umschrift berücksichtigen zwei verschiedene Gesichtspunkte: Zum einen soll anhand der Edition ganzer Gesänge Einblick in das faszinierende Wechselspiel zwischen Text und Musik genommen werden können; zum anderen soll anhand von Variantenverzeichnissen ein Eindruck entstehen von der Relevanz dieser Varianten für die Diskussion entstehungs- und überlieferungsgeschichtlicher Fragen. Neuere Forschungsergebnisse der letzten Jahre machen eine Entstehung des „Riesencodex“ noch zu Lebzeiten der Verfasserin wahrscheinlich. Über eine Diskussion dieser Frage hinaus werden die mögliche liturgische Verwendung der Hildegardschen Gesänge sowie die Entstehungsgeschichte thematisiert; Hinweise auf literarische Zeugnisse sind dabei miteinbezogen. Ein Glossar und ausführliche Literaturhinweise ermöglichen die Vertiefung des Themas.