Ich sehe Hunde, die an der Leine reißen
Christoph Heubner
Felka Platek, ein jüdisches Mädchen aus Warschau, will Malerin werden. Gegen alle Konventionen und gegen den Willen ihrer Eltern. Sie verlässt ihre Familie und geht nach Berlin. Dort trifft sie den Maler Felix Nussbaum. Der Beginn einer Liebesgeschichte. Doch diese Geschichte hat kein gutes Ende. Felka Platek und Felix Nussbaum werden in Auschwitz ermordet.
Ein alter Mann und eine alte Frau stehen in einem Wäldchen. Es riecht seltsam, grauer Staub scheint sich auf alles herabzusenken. Die Liebsten wurden schon zu den Duschen geschickt, nackt. Die Kleidung sorgsam gefaltet. Sie aber stehen da und warten.
Eine junge Frau kehrt zurück, sie hat Unvorstellbares überlebt. In ihrem Herzen trägt sie das Haus ihrer Familie, ein leeres Haus. Einen langen Weg geht die Frau, der sie schließlich in eine neue Heimat führt. Weit weg von den Schatten der Vergangenheit. Nach Pittsburgh.
Jede der hier erzählten Geschichten steht für sich und doch sind sie miteinander verbunden, weil sie sich auf den gleichen schrecklichen Ort beziehen und dieselbe Vorgeschichte haben. Diese Vorgeschichte erstreckt sich über mehr als vier Jahrzehnte und spielt in verschiedenen Ländern, überall dort, wo Auschwitz-Überlebende für sich eine neue Heimat gefunden haben. Die Texte sind entstanden nach zahllosen Begegnungen und Gesprächen mit jüdischen Überlebenden, die Christoph Heubner, an ihren Erinnerungen und Empfindungen, ihrer Verlorenheit, ihrer Empörung und ihrem Leben teilhaben ließen. Und in ihnen stecken auch die Worte, mit denen die Überlebenden die Bilder ihrer ermordeten Familienangehörigen beschwören.