Im Auftrieb
Grenzüberschreitungen mit Goethes »Faust« in Inszenierungen der neunziger Jahre
Hans-Peter Bayerdörfer
Der szenische Umgang mit »Faust« auf der Bühne der 1990er Jahre wird hier in einer Reihe von Einzelanalysen diskutiert. Anknüpfend an die Linie der ideologiekritischen Auseinandersetzung mit dem Stoff in den vorausgegangenen Jahrzehnten, bildet insbesondere bei den Vertretern des Regietheaters die (theater)historische Rezeption den entscheidenden Bezugshorizont (Inszenierungen von Wolfgang Engel, Einar Schleef und Christoph Marthaler). Gegenpole hierzu stellen zum einen die ganz auf Wahrnehmungsverschiebung abgestellte Zürcher Inszenierung von Stephan Müller, zum anderen die ihrem eigenen Programm zufolge texttreue Integralversion Peter Steins dar. Eine Deutung des »Faust« als theatraler Ausdruck eines gemeinsamen europäischen Erbes wird in Giorgio Strehlers Mailänder Version unternommen. Der „Blick von außen“ am Beispiel von »Faustus in Africa!« (Handspring Puppet Company, Johannnesburg, William Kentridge) führt hingegen zu einer radikal kulturkritischen Perspektive auf Europa.