Indianer im Dienste der NS-Ideologie
Untersuchungen zur Funktion von Jugendbüchern über nordamerikanische Indianer im Nationalsozialismus
Barbara Haible
Indianerabenteuer – bis heute ein populäres Thema der Kinder- und Jugendliteratur – waren auch in der Zeit des Nationalsozialismus bei jungen Lesern sehr beliebt. Die Untersuchung zeigt, wie die nationalsozialistischen Machthaber diese Tatsache ausnutzten und wie Indianerbücher im Rahmen umfangreicher Propagandamaßnahmen eingesetzt wurden, um mit ihrer Hilfe nationalsozialistische Wertvorstellungen an junge Leser zu vermitteln. Sowohl Mays Indianerromane als auch andere Texte über nordamerikanische Indianer erfuhren im nationalsozialistischen Deutschland eine enorme Auswertung. Erich Wittek, der unter dem Pseudonym Fritz Steuben eine bis heute im Buchhandel erhältliche achtbändige Romanreihe um den Shawnee Tecumseh veröffentlichte, avancierte zum gefeierten NS- Jugendbuchor und erreichte wie auch andere Autoren mit seinen Indianerbüchern hohe Auflagenzahlen. Dabei weist die Studie nach, dass sich die in der NS-Zeit erfolgreichen Indianerbuchoren vielfach an Texten orientierten, die bereits vor der nationalsozialistischen Machtübernahme veröffentlicht worden waren und in denen unverhohlen Propaganda für den Faschismus gemacht wurde. Die Beschäftigung mit der Einschätzung des Indianerbuches in der NS-Jugendbuchkritik und auch die Betrachtung des Verhältnisses der Nationalsozialisten zu Karl May geben wichtige Aufschlüsse über das Bestreben, Indianerbücher völlig in den Dienst der NS-Propaganda zu stellen. Die anschließende Analyse von nahezu allen in der Zeit des Nationalsozialismus auf dem deutschen Buchmarkt erschienenen Indianerbücher, die bisher in diesem Umfang noch nicht gesichert und ausgewertet wurden, zeigt, dass die in diesen Texten dargestellten Herrschaftsverhältnisse eindeutig das nationalsozialistische Führerprinzip und die NS- „Rassenlehre“ widerspiegeln. Dabei repräsentieren zum einen die als faschistische Führerfiguren verherrlichten indianischen Helden die Ideale der NS-Ideologie, die von den jungen Lesern verinnerlicht werden sollten. Zum anderen werden insbesondere die Deutschen als den Indianern überlegende weisse „Herrenrasse“ beschrieben. Angesichts der bereits vor 1933 begonnenen und nach 1945 kritiklos weitergeführten Tradition faschistischer Inhalte im Indianerbuch ist die in dieser Untersuchung geleistete umfassende Textanalyse ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung nationalsozialistischer Vergangenheit.