Industrialisierung der Pädagogik
Eine Diskursanalyse
Steffen Großkopf
Hintergrund der Untersuchung bilden bildungspolitische Diskussionen, nach denen immer mehr Jugendliche nicht mehr „ausbildungsfähig“ seien. Diese Kritik ist jedoch alt. Verändert hat sich weniger die Jugend als vielmehr die Begriffe, mit welchen die Kritik an ihr formuliert wird. Um zu klären, wie sich das Urteil über die Jugend formierte und warum es heute unter dem Begriff der „Ausbildungsfähigkeit“ kursiert, entfernt sich der Autor vom Thema.
Auf Basis pädagogischer Nachschlagewerke von 1797 bis zur Gegenwart rekonstruiert der Autor einen ständischen und einen industriellen Diskurs. Es wird gezeigt, dass die Pädagogik bis in die 1960er Jahre von ständisch handwerklichen Vorstellungen dominiert wird, die um das „Organische Ganze“ als anthropologische Leitkategorie kreisen. Danach kommt es zu einem Deutungsmachtwechsel und das „System“ avanciert zur Leitfigur der Pädagogik. Der industrielle Diskurs löscht unbeeinflussbare Größen, welche die ständische Deutung beherrschten. In der Folge begreift sich die Pädagogik im industriellen Produktions- und Verwertungszusammenhang. „Ausbildungsfähigkeit“ wird als vom industriellen Diskurs hervorgebrachter Begriff identifiziert mit dessen spezifischer Semantik und Gegenstandswahrnehmung.