Intersubjektivität als Philosophisch-Anthropologische Kategorie
Arnold Gehlen und Michael Tomasello
Tom Moderlak
Die Frage nach der Natur des Menschen und dem Wesen seines Bewusstseins ist im wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskurs nach wie vor so aktuell wie polarisierend und kann von keiner Einzelwissenschaft umfassend beantwortet werden. Natur- und Geisteswissenschaften stehen bezüglich dieser Problematik in einem Ausschließungsverhältnis, welches sich in der auf Descartes zurückgehenden Spannung zwischen Naturalismus und Kulturalismus äußert. In diesem Werk wird der Versuch einer begrifflichen Grundlegung eines interdisziplinären Diskursrahmens unternommen, da nur ein solcher in der Lage ist, den Gegenstand des Menschen auf kritische und progressive Weise zu behandeln, ohne althergebrachten Dualismen oder vorschnellen Ontologisierungen zu verfallen. Hierbei wird ein Menschenbild konzipiert, welches evolutionär-empirisch fundiert ist und gleichermaßen für die Sozialwissenschaften fruchtbar gemacht werden kann. Als Schlüsselautoren erweisen sich Arnold Gehlen als der empirisch am ausgereiftesten agierende Autor der Philosophischen Anthropologie sowie Michael Tomasello als interdisziplinär bedeutsamer Vertreter moderner Evolutionswissenschaften. Auf der Basis eines konstruktiven Theorienvergleichs dieser Autoren wird unter Bezugnahme auf die modernen Neurowissenschaften die Kategorie der Intersubjektivität entwickelt und als zwischen den einzelnen Wissenschaftsbereichen vermittelndes Spezifikum des Menschen dargestellt. Die sich stets in historisch konstituierten sozialen Kontexten vollziehende intersubjektive Kommunikation strukturiert die normativ-handlungsanleitenden Wertmuster des Individuums und damit auch das Verhalten gegenüber den selbst wahrgenommenen evolutionär entstandenen Antrieben und Emotionen. Der Mensch ist damit kein ausschließlich seinen genetischen Prädispositionen ausgesetztes Naturwesen, da die Kultur und nicht zuletzt er selbst bestimmt, wie sich diese entfalten und wie handelnd mit ihnen umgegangen wird. Dies ist einerseits auf der Ebene ethischen Diskurses bedeutsam, da der Mythos vom genetisch bedingten Egoismus auf diesem Weg endgültig überwunden wird, und ermöglicht andererseits vielfältige interdisziplinäre Anschlussmöglichkeiten für den philosophischen Diskurs mit Biologie, Physik und Erkenntnistheorie.