Jenseits von Religion und Kirche
Versuch über das Christentum
Ingo Reuter
Ist das Christentum geistig und moralisch am Ende? Schon Nietzsche hat das Christentum in inspirierender Weise von seinem Stifter her dekonstruiert. Das tut auch heute not, will man nicht in der unzeitgemäßen Absurdität des Dogmatischen verharren, sondern das Erhellende christlicher Weltsicht hervorbringen. Nicht um Religion, Kirche oder bürgerliche Moral geht es; vielmehr ist das Christentum als eine spezifische Weltsicht zu betrachten, die ein entsprechendes Handeln herausfordert. Jenseits von Kirche und Religion erweisen sich Taten und Reden Jesu, Sätze des Christentums, vieles der sich durchs jüdisch-christliche Denken fortsetzenden hermeneutischen Tradition als Möglichkeiten, die Gegenwart zu erschließen. Dies kann freilich niemals gegen Erkenntnis und Wissenschaft der Zeit gehen, sondern stets nur unter Respektieren der Erkenntnisse einer unteilbaren Wirklichkeit. Eine christliche Weltsicht eröffnet kein Sonderwissen über Gott, Welt, Liebe und Tod, sondern beleuchtet die existenziellen Fragen des Menschseins aus einer spezifischen Perspektive. Wo diese Perspektive des Christlichen neu ins Spiel gebracht wird, kann sie befreiend in die säkulare Gegenwart hineinwirken.