Justine & Juliette 1
Marian Kretschmer
Die Geschichte von Justine und Juliette nimmt ihren Anfang im Paris des Jahres 2091, im Hitzemonat Thermidor. 300 Jahre sind seit der Großen Französischen Revolution vergangen, doch es scheint, es sei alles wie damals, als ein lasterhafter Philosoph im dunkelsten Kerker des Landes vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen wurde und sich mit dem Unglück der Tugend und dem Vorteil des Lasters befaßte, während draußen die Massen die Geschichte nach vorne drängten und schoben und die Köpfe auf den Plätzen schneller rollten, als sie zu zählen waren.
JUSTINE UND JULIETTE ist die Geschichte zweier ungleicher Schwestern. Justine, mit Sanftmut und Sensibilität begabt, war im Gegensatz zu der Geschicklichkeit und dem Scharfsinn ihrer Schwester so arglos und treuherzig, dass sie zwangsläufi g ein Opfer vieler Ränke werden musste. Das junge Mädchen hatte ein liebliches Gesicht, das gänzlich verschieden war von den Gesichtszügen, mit denen die Natur Juliette verschönt hatte. So augenfällig wie die Künstlichkeit, die Schläue und Koketterie in den Zügen der einen, so
bewundernswert war die Schamhaftigkeit, der Anstand und die Scheu, die aus dem Antlitz der anderen sprach. Jungfräulich in ihrer Erscheinung, mit großen blauen Augen voller Seele und Mitgefühl und einem blendenden Teint, von schlankem und geschmeidigem Wuchs, dazu eine ergreifende Stimme, Zähne wie Elfenbein und die schönsten blonden Haare, so lässt sich das Bild dieser reizenden jüngeren Schwester umreißen, deren unschuldige Anmut und deren feine Züge unser zeichnerisches Vermögen weit übertreffen. — Marquis de Sade
Donatien Alphonse François de Sade: DER PHILOSOPH IM KERKER Ein Comic-Essay in vielen Worten von Jakob Sobe