Kameradschaft in der „Grünen Farbe“
Forstbeamte in Hessen zwischen Entnazifizierung und deutscher Personalpolitik 1945-1954
Hendrik Friggemann
In der Öffentlichkeit findet nach wie vor eine lebhafte Diskussion statt, in welchem Umfang die Entnazifizierung und die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Nachkriegszeit Einfluss auf den Aufbau demokratischer Strukturen nahmen. Dabei sind mögliche personelle Kontinuitäten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Ende der NS-Diktatur von besonderem Interesse. In seiner Dissertation greift Hendrik Friggemann diese Frage am Beispiel der hessischen Forstverwaltung auf, denn auch dort tätige Beamte waren in die NS-Unrechts- und Vernichtungspolitik involviert gewesen. Im Vordergrund seiner Untersuchung stehen das Ausmaß der politischen Belastung und die Verstrickung Einzelner, die nach 1945 (wieder-)beschäftigt wurden: Gelang es in Hessen, das relativ günstige politische Rahmenbedingungen für einen Neuanfang nach dem Ende der NS-Diktatur aufwies, eine Personalstruktur zu schaffen, die dem neuen demokratischen Staatswesen angemessen war?
Durch ein kollektivbiographisches Vorgehen, das anhand einer breiten archivischen Quellengrundlage die Lebensläufe der insgesamt ca. 300 akademischen Forstbediensteten der hessischen Nachkriegszeit qualitativ und quantitativ in den Blick nimmt, nähert sich der Autor den Wirkmechanismen innerhalb der Untersuchungsgruppe, die traditionell durch einen starken Korpsgeist – die „unbedingte Kameradschaft“ – geprägt war. Durch die Summierung und Typisierung der Einzelfälle zieht er im Hinblick auf die politische Belastung bzw. Nicht-Belastung Rückschlüsse auf den Prozess der Personalpolitik.
Zunächst werden rückblickend die Rolle der öffentlichen Verwaltung und der (Forst-)
Beamtenschaft in den Jahren 1933 bis 1945 im Spiegel der zeithistorischen Forschung betrachtet, die Grundzüge der Forst- und Holzwirtschaft im Nationalsozialismus vorgestellt und die strukturelle Zusammensetzung des Forstpersonals auf dem Gebiet des heutigen Landes Hessen bei Kriegsende analysiert. In chronologischer Reihenfolge untersucht Friggemann sodann die Entwicklung der Forstverwaltung in der Nachkriegszeit vor dem Hintergrund der amerikanischen Besetzung und der einsetzenden Entlassungsmaßnahmen (1945/46) sowie der Wieder- und Neueinstellungen unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Spruchkammerverfahren (1946–1948) bis hin zum Abschluss der Entnazifizierung und den ersten Jahren der frühen Bundesrepublik mit dem berüchtigten Gesetz zu Artikel 131 Grundgesetz (1948–1954). Die abschließende Beurteilung zeigt, dass trotz zahlreicher und zum Teil skandalträch-tiger Kontinuitäten aufgrund der vielfältigen persönlichen Verflechtungen der Forstbeamtenschaft der personelle Neubeginn unter demokratischen Vorzeichen gelang. – Ein Tabellen-
anhang veranschaulicht die Ergebnisse, ein Personenindex erschließt den Band.