Karolinens Tagebuch
Ohne außerordentliche Handlungen oder gerade soviel als gar keine.
Helga Meise, Maria Anna Sager
„Dass ,Die verwechselten Töchter‘ und ,Karolinens Tagebuch‘ mit den Neuauflagen im Olms-Verlag nun wieder greifbar sind, ist äußerst erfreulich – beide Romane verdienen weitere Aufmerksamkeit der Forschung, aber auch des allgemeinen Lesepublikums.“ (Stephan Kurz, Das achtzehnte Jahrhundert und Österreich 30)
„…der Reprint beider Romane und Helga Meises ausführliche Nachworte sind höchst verdienstvoll. Sie stellen die besten Voraussetzungen dafür dar, die literarisch überdurchschnittlichen Texte der Prager Autorin Maria Anna Sager endlich einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen. Sie verdienen einen festen Platz in der deutschen Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts – sie sind originell, provozieren durch ihre protofeministische Perspektive, die der Autorin die Freiheit gibt, traditionelle Erzählschemata zu ironisieren, mit ihnen zu spielen und sie zu durchbrechen.“ Michael Wögerbauer, Da achtzehnte Jahrhundert, Heft 2, 2015
Maria Anna Sager (1719-1805) war neben Sophie von La Roche eine der ersten deutschsprachigen Autorinnen der im 18. Jahrhundert sich entwickelnden Gattung des Romans. Sie lebte mit ihrem Ehemann, dem ebenfalls schriftstellerisch tätigen königlichen Schlosshauptmann Johann Sager, in Wien und Prag. 1774 veröffentlichte sie mit „Karolinens Tagebuch“ ihren zweiten Roman, der eine eigene Tradition weiblichen Schreibens in der deutschen Literaturgeschichte begründet.
Die 17-jährige Karoline beschließt, ein Tagebuch zu führen, um sich im Schreiben zu üben und sich darin von ihrer Schwester und ihrem Schreibmeister korrigieren zu lassen. Als ihr Vater für sie eine Heirat arrangiert, die ihre Freiheit einzuschränken droht und ihr gerade erst entstehendes, schreibend erforschtes Selbstbild infrage stellt, flüchtet Karoline sich in ihre Rolle als Autorin. Die Darstellung ihrer eigenen Lebensgeschichte und Gedankenwelt ergänzt sie mit Briefen und einer abenteuerlichen Binnengeschichte über zwei Frauen, die ihrer ehelichen Gefangenschaft zu entfliehen versuchen.
So vermischen sich in dem Werk zentrale Themen der Aufklärung mit Elementen des damals populären Schauerromans und Motiven, die bereits auf die Romantik vorausdeuten. Karoline agiert gleichzeitig als Verfasserin, Erzählerin und Titelfigur ihres romanhaften „Tagebuchs“ und schafft damit Raum für vielfältige Reflexionen einerseits über weibliche Autorschaft, andererseits über die weibliche Identität und die Rolle der Frau in der Gesellschaft.