Kleine Schriften zur Nordischen Philologie
Heinrich Detering, Joachim Grage, Wilhelm Heizmann, Fritz Paul, Lutz Rühling
Im Zentrum der Forschungen des Göttinger Skandinavisten Fritz Paul steht ein Komplex von Fragestellungen, der die Grundspannungen der Frühen Moderne umfasst, jener Epoche, in der die skandinavischen Literaturen die umfang- und wirkungsreichsten Beiträge zur Weltliteratur geleistet haben: die Spannungen zwischen Kritik und Selbstkritik der Vernunft in den vielfältigen Spielarten des Irrationalismus – im Unheimlichen und Phantastischen, in Psychopathologie und Mystizismus, in Ästhetizismus, Vitalismus und décadence; zwischen Literatur und Religion; zwischen naturalistischer Sozialpsychologie, Mythos und Metaphysik. Und er umfasst ihre Folgen für neue ästhetische Ausdrucksformen in Erzählung und Lyrik und vor allem in Drama und Theater der skandinavischen, der europäischen und der weltliterarischen Moderne. Immer wieder hat Fritz Paul gezeigt, wie sich in der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts entfaltet, was in den avantgardistischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts und des Fin de siècle experimentierend entworfen und vorgedacht worden ist, jenen Avantgardebewegungen, an denen die skandinavischen Dichter einen so wesentlichen Anteil hatten – wie etwa im dramatischen Riesenwerk Strindbergs die Ausdrucksformen des epischen Theaters ebenso wie die des ‚Theaters des Absurden‘, des sozialrealistischen Agitations- und des expressionistischen Stationendramas nicht nur angelegt, sondern oft schon voll entfaltet und zum Gegenstand kritischer Selbstreflexion geworden sind. Die Gegenwartsperspektive auf diese Literaturgeschichte führt in Fritz Pauls Arbeiten gerade nicht in eine fatale Aktualisierung des Vergangenen und Fremden, sondern in eine historische Vertiefung, zuweilen auch Verfremdung des Gegenwärtigen. Der Band bietet eine Auswahl der wichtigsten Arbeiten aus dem umfangreichen Œuvre Fritz Pauls und repräsentiert die wesentlichen Schwerpunkte seiner literaturwissenschaftlichen Forschung: die altnordische Literatur und ihre romantische Rezeption, die Literatur des 19. Jahrhunderts und die der Frühen Moderne, die Anfänge des modernen Dramas in den Stücken Henrik Ibsens und August Strindbergs.