Kometennacht
Kafka liest Chesterton
Steffen Köhler
Halley über Prag. Franz Kafka verbringt die apokalyptische
Kometennacht im April 1910 mit seinem Freund Max Brod und
dem Chestertonübersetzer Franz Blei auf der Prager Karlsbrücke.
Stundenlang blicken die Literaten in den Himmel und warten.
Worüber sprechen sie? Zehn Jahre später äußert sich Kafka gegenüber
Gustav Janouch positiv über die u.a. von Blei übersetzten
Werke des frühen Chesterton: „Chesterton ist so lustig, dass man
meinen könnte, er habe Gott erfunden.“
In „Kometennacht. Kafka liest Chesterton“ wird, ausgehend
vom Jahr 1910, eine detaillierte Analyse englischer Originaltexte,
ihrer Blei-Übersetzung sowie der anzunehmenden Aufnahme im
Werke Kafkas vorgenommen. Chesterton ist auf der Suche nach
seiner christlichen Identität, Kafka sucht seine jüdischen Wurzeln.
Beide denken im Umfeld der Dialektischen Theologie, beide
verarbeiten den Ersten Weltkrieg, beide formulieren phantastischkryptische
Romane. Beide sind Fremdkörper in ihrer Umgebung
und zugleich hochgeschätzt: der jüdische Versicherungsmann im
antideutsch werdenden Prag und der katholisierende Journalist
im späten Viktorianismus. Eine Studie im Grenzbereich zwischen
Judaistik und Theologie, Germanistik und Anglistik.