kurz und schmerzhaft
...zwischen Wunsch, Wahn und Wirklichkeit
Kevin Pottmeier
J. trägt revolutionäre Tendenzen in sich, wovon er anfangs allerdings genauso wenig weiß wie sie im Endeffekt an Veränderung hervorrufen.
Der Boden der Tatsachen ist das, worin sich der Pessimist begräbt, was der Realist auf Schätze durchsuhlt und worauf der Optimist ungebremst aufschlägt, nachdem er erkennen musste, die Schwerkraft nicht überwinden zu können.
Zur Gruppe letzterer Naivlinge ist J. erst dann zu zählen, nachdem er die besonders intensive Phase einer realistischen Welteinschätzung kurzum nicht verkraften konnte, mit der er aber konfrontiert wurde, nachdem er aus einer heilen Welt, gipfelnd im Erwerb eines hochklassigen Abiturs, sich herab begibt in die Tiefen proletarischer Torturen.
Aushelfend in einem Kohlekesselreinigungsbetrieb lernt er die rauen Winde einer solchen Realität kennen, in der vom System vergewaltigte Existenzen darum kämpfen, die Trostlosigkeit ihres eigenen Daseins irgendwie zu überspielen oder zu verdrängen, ein wenig Freiraum und Luft zu erhaschen innerhalb der Zwänge und Enge kapitalistischer Regularien.
Neurotische Zombies bewegen ihn zu dem fatalen Schluss, etwas unternehmen zu wollen; ein Unterfangen, das für den Pessimismus allen Geschehens nicht untypisch im Suizid zu münden genötigt ist.
Der Individualist und Revolutionär kann ein Leben für ein würdevolles Scheitern führen oder ein solches, das ein subtiles Scheitern frei von Würde und Authentizität impliziert, aber so etwas wie Glück im Ansatz erkennbar werden lässt.
Der Preis hierfür besteht bloß darin, kein Individualist und Revolutionär mehr zu sein.
Wer bereit ist dazu, individuelle Handlungsfreiheit und das Einflussvermögen des Einzelnen in Frage zu stellen, setzt da an, wo viele fälschlicherweise die Lösung vieler Probleme erkennen.