Ländermonitor berufliche Bildung 2019
Ein Vergleich der Bundesländer mit vertiefender Analyse zu Passungsproblemen im dualen System
Volker Baethge-Kinsky, Vanessa Boschke, Robin Busse, Patrick Geiser, Christian Michaelis, Susan Seeber, Markus Wieck
Die öffentliche Aufmerksamkeit für die Berufsbildungspolitik und deren medienwirksame Darstellung konzentrieren sich bislang vor allem auf bundesweite Erörterungen zur Lage am Ausbildungsmarkt und damit auf die duale Ausbildung. Dabei bleibt oftmals außer Acht, dass sich die Lage von Land zu Land erheblich unterscheidet, und dass die Länder nicht nur die berufsschulische Seite der dualen Ausbildung verantworten, sondern sehr viel weitreichendere Verantwortung tragen, die in anderen landesspezifischen Berufsbildungsaktivitäten zum Ausdruck kommt. Hierzu gehören insbesondere die vollqualifizierenden Ausbildungen im Schulberufssystem, die mit ihrem Schwerpunkt in den Berufen von Gesundheit und Pflege, Erziehung und Soziales in einem wachsenden und wichtigen gesellschaftlichen Teilbereich Ausbildungsleistungen zur Fachkräftesicherung erbringen. In Länderverantwortung liegt aber ebenso die Mehrheit der berufsvorbereitenden Maßnahmen im Übergangssektor, mit denen wichtige Weichenstellungen zur Sicherung des künftigen Fachkräftenachwuchses und zur Förderung der Ausbildungschancen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen erfolgen.
Der Ländermonitor 2019 enthält Daten und Analysen zur beruflichen Bildung auf Länderebene, die unter den Leitdimensionen von ökonomischer Leistungsfähigkeit und sozialer Chancengerechtigkeit aufbereitet und interpretiert werden. Für das duale System enthält er eine vertiefende Analyse zu den wachsenden Passungsproblemen, deren Ausmaß und Ursachen erstmals genauer bestimmt werden. Die Ergebnisse zeigen für die letzten Jahre ein steigendes unausgeschöpftes Ausbildungspotenzial. Darunter leidet nicht nur die Leistungsfähigkeit beruflicher Ausbildung, was die Fachkräftesicherung angeht. Es verringern sich zugleich die Chancen der Jugendlichen auf eine Ausbildungsstelle und einen Ausbildungsabschluss. Allerdings machen die Analysen eines deutlich: Die spezifischen Problemlagen variieren zwischen und in den einzelnen Ländern durchaus erheblich. Übergreifend lässt sich festhalten, dass vor allem berufsfachliche und eigenschaftsbezogene Probleme das Gros der wachsenden Passungsprobleme ausmachen: So passen in vielen Regionen Berufswünsche unvermittelter Bewerberinnen und Bewerber nicht zu den unbesetzten Ausbildungsstellen. Aber auch die Voraussetzungen der Jugendlichen und die Anforderungen der Unternehmen an Bewerberinnen und Bewerber bzw. Vorstellungen der Jugendlichen über den künftigen Ausbildungsbetrieb scheinen immer weniger übereinzustimmen. In diesem Ländermonitor werden – neben einer bundesweiten Perspektive – die Regionen diesbezüglich genauer charakterisiert und bildungspolitische Handlungsbedarfe herausgearbeitet.
Der Ländermonitor zeigt darüber hinaus: Bei den Ausbildungen im Schulberufssystem fand in den letzten Jahren in allen Ländern ein massiver struktureller Umbau statt. In der Konsequenz spezialisiert sich das Schulberufssystem in den Ländern, mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt, auf Berufe im Bereich von Gesundheit, Erziehung und Soziales. Allerdings, auch dies zeigen die Daten, reicht dieser Umbau allein, d.h. ohne deutliche Erhöhung der gesamten Ausbildungsleistung, nicht annähernd aus, den aktuellen und zu erwartenden Fachkräftebedarf zu decken.
Für die Berufsvorbereitung im Übergangssektor lässt sich beobachten, dass in den meisten Ländern Anstrengungen unternommen wurden, die Maßnahmenvielfalt zu reduzieren, Transparenz herzustellen und die Koordination zwischen den verschiedenen Maßnahmen zu verbessern, damit nahtlose Anschlüsse in eine berufliche Ausbildung gelingen. Aber auch hier sind erhebliche Unterschiede in der Umsetzung von Maßnahmen zwischen den Ländern zu erkennbar.
Die Analysen zeigen übergreifend, dass wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen sowie die gestalterische Rolle der Berufsbildungspolitik in den Ländern zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen in der Leistungsfähigkeit und Chancengerechtigkeit beruflicher Bildung führen.