Land um den Ebersberger Forst
Beiträge zu Geschichte und Kultur
am 24. Februar 2022 begann der russische Überfall auf die Ukraine, ein kriegerischer Akt, der seither mit seinen verheerenden Auswirkungen die ganze Welt in Atem hält. Russlands Präsident Wladimir Putin rechtfertigte die von ihm befohlene völker-rechtswidrige Invasion unter anderem mit der unhaltbaren Behauptung, Russen und -Ukrainer seien historisch betrachtet immer schon eine Einheit, ein Volk gewesen. Dieses vom Diktator im Kreml in instrumenteller, ja manipulativer Absicht gezeichnete Zerrbild der Geschichte, mit dem er einzig und allein den Zweck verfolgt, seinen Angriffskrieg historisch zu legitimieren, ruft einem einmal mehr unvermittelt die Maxime Leopold von Rankes in Erinnerung, worum es in der Historiographie tatsächlich gehe, nämlich darum, aufzuzeigen, „wie es eigentlich gewesen“ – eine hoher Anspruch, dem sich auch das Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg verpflichtet fühlt.
Die Abfolge der Aufsätze der diesjährigen Nummer des „Landes um den Ebersberger Forst“ eröffnet der Grafinger Heimatkundler Hans Hupfer mit einer Abhandlung über „Alte, gefährdete Kirchen im südlichen Landkreis Ebersberg“. Der Autor, dessen Hauptaugenmerk auf den bei der Säkularisation von der „Demolierung“ bedrohten Gotteshäusern liegt, liefert damit einen wertvollen Beitrag zur Erfassung der Kirchenlandschaft des Ebersberger Raumes.
Wie wichtig es ist, genau hinzuschauen, dies belegt der Münchner Architekt Peter Kifinger mit seiner Darstellung zur Baugeschichte von Schloss Zinneberg. Unter akribi-scher Auswertung der uneinheitlichen Überlieferung und der gründlichen Inaugen-scheinnahme vor Ort gelingt es dem Forscher, erstmals eine präzise Abfolge der Bauphasen des geschichtsmächtigen Bauwerkes aufzuzeigen und die Frage nach der Autorschaft des klassizistischen Umbaus einer Beantwortung näher zu bringen.
Den Beziehungen des Adelsgeschlechtes der Pienzenauer zu Wasserburg gilt das Interesse des Thalhamer Historikers Ferdinand Steffan. Diese sind zwar in der Inn-Stadt mit einem Fresko an der Pfarrkirche Sankt Jakob, mit einem Glasfenster in eben diesem Gotteshaus und mit einer Wappen-Darstellung im Rathaussaal im öffentlichen Raum dokumentiert, geben aber doch selbst dem Geschichtskundigen erhebliche Rätsel auf, Rätsel, zu deren Lösung der frühere Kreisheimatpfleger mit seinen Darlegungen beiträgt.
Mit der Malteser-Kommende Hornbach und ihrem Komtur Joseph Graf von Lodron beschäftigt sich der Jagstzeller Historiker Thomas Freller und erzählt mit seinen Ausführungen zum Werdegang des einer italienischen Adelsfamilie entstammenden Ordensmitgliedes gleichsam das letzte Kapitel einer Hofmark, die im Hohen und Späten Mittelalter zum weit gestreuten Besitztum des Klosters Ebersberg gehörte.
Zwei einfallsreiche Brüder aus Ebersberg, namentlich die Hölzerbräu-Söhne Franz Xaver und Augustin Gottfried Greckl haben die Aufmerksamkeit des Münchner Archivars Claudius Stein geweckt. Während, wie der versierte Genealoge herausarbeitet, ersterer als der „Erfinder“ des Oktoberfestes gelten kann, tat sich zweiter als ein „Verbesserer“ des Begräbniswesens seiner Zeit hervor.
Ein historisches Dokument, das bereits dem Untergang geweiht war, dann aber kurz vor seiner Vernichtung doch noch gerettet wurde, stellt der Taglachinger Heimatforscher Hans Huber seiner Leserschaft vor, konkret das aus der Zeit um 1925 stammende Exposé zum Verkauf von Schloss Zinneberg samt allem Zugehör, einem Besitzkomplex, dessen der seinerzeitige Gutsbesitzer Baron Adolf von Büsing-Orville überdrüssig geworden war und den er abstoßen wollte.
Die Verbrechen, die während des Dritten Reiches aus politisch-ideologischen Gründen begangen wurden, sind gemeinhin hinlänglich bekannt. Dass in den Jahren der Hitler-Diktatur aber auch viel Unrecht unter der allgemeinen Wahrnehmungsebene geschah, dies macht der Beitrag des Pöringer Geschichtsforschers Peter Maicher deutlich, der darin das schlimme Schicksal des Reiter Bauern Daniel Wurth in der NS-Zeit nachzeichnet.
Mit der wechselvollen Biographie des in Glonn ansässigen Malers und Bürger-meisters Georg Lanzenberger setzt sich der Glonner Ortschronist Hans Obermair aus-einander. Dabei zeigt er auf, wie schwer es für einen in den Umbruchszeiten des 20. Jahrhunderts lebenden Künstler war, im eigenen Metier ein Auskommen zu finden und wie es einem kommunalen Amtsträger im Nationalsozialismus gelingen konnte, im eigenen Wirkungskreis wenigstens die schärfsten Maßnahmen des Regimes zu verhindern.
Die Ebersberger Geschichtsschreiberin Monika Mündel schließlich würdigt in ihrem Aufsatz die Lebensleistung des Forstwissenschaftlers Kurt Mantel, der mit seiner 1929 vorgelegten Dissertation zur „Geschichte des Ebersberger Forstes“ ein Grundlagenwerk schuf, auf dem seither alle weiteren Forschungen zu diesem bedeutenden Waldgebiet aufbauen konnten.
In den „Mitteilungen und Notizen“ stellt der Kirchseeoner Museumsleiter Rainer -Eglseder eine neue Errungenschaft der Marktgemeinde Kirchseeon vor, nämlich das sogenannte MASKEUM, ein Museum, in dem der örtliche Perchten-Brauch in all seinen Facetten vermittelt und dessen identitätsstiftender Kraft sichtbarer Ausdruck verliehen wird.
Unter der Rubrik „Hinweise“ findet sich wieder eine Aufstellung neuen heimatkundlichen Schrifttums. Die „Vereinschronik“ gewährt einen Corona-bedingt äußerst knappen Rückblick auf die Aktivitäten des Historischen Vereins im vergangenen Jahr und gibt neben der Zusammensetzung der Vorstandschaft die Mitgliederentwicklung wieder.
Allen Freunden der Geschichte und Kultur im Landkreis Ebersberg wünsche ich nun im Namen der gesamten Vorstandschaft anregende Stunden bei der Lektüre dieses neuen Bandes des „Landes um den Ebersberger Forst“.