Lebenswirklichkeiten
Johannes Horn
Das, was wir die Kultur einer Gesellschaft nennen, ist nichts Beständiges, nichts Dauerhaftes, vielmehr ist sie in ihrem ständigen Wandel Einflüssen ausgesetzt, die von innen und von außen auf sie einwirken und sie ebenso unmerklich wie nachhaltig verändern. Am Beispiel der Sprach- und Gesprächskultur lässt sich nicht nur eine immer weiter fortschreitende Simplifizierung und Verfremdung feststellen, auch wird an ihr ein tief greifender Wandel in den Denk- und Verhaltensmustern des Menschen deutlich. Sprache ist öffentlich werdendes Denken und so erlaubt sie Einblicke in die Wesensart einer Gesellschaft, in die Einstellung und die Erwartungshaltung einzelner Menschen. Dass das Wort in weiten Bereichen seine Klarheit und seine Verbindlichkeit verloren hat, hängt zum einen an einer zunehmenden Orientierungslosigkeit und an einer immer deutlicher werdenden Werteverschiebung, zum anderen an einem vieldeutigen und oft schwammigen Gebrauch der Begriffsinhalte. An zahlreichen Beispielen lässt sich zeigen, dass jeweils unterschiedliche Bedeutungsinhalte einzelner Begriffe wie Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit, Hoffnung, Glück u.a. zu irreführenden und fruchtlosen Diskussionen beitragen und nicht selten zu unauflösbaren Missverständnissen Anlass geben. Die Ausführungen dieses Buches sind unter das Motto „Lebenswirklichkeiten“ gestellt, aus der Überzeugung, dass begriffliche Klarheiten eine Hilfe sein können bei der Bewältigung wichtiger Lebensfragen.