Leider ist die Welt kein Märchen von Heyde,  Erika

Leider ist die Welt kein Märchen

Gedichte und kurze Prosa

Erika Heydes Schreiben liegt nun endlich in einer gesammelten Ausgabe vor. In ihr verdeutlicht sich die Vielschichtigkeit des erzählerischen und lyrischen Schaffens der Autorin, inhaltlich und auch formal.
Die Ansätze ihres literarischen Wirkens schöpft sie dabei aus der alltäglichen Begegnung mit Menschen und der Auseinandersetzung mit realen Situationen des Lebens. In den beiden längeren Prosabeiträgen ‚Lehrerkollegium’ und ‚Krämerseelen’ schaut sie in der Mosaiktechnik, in der jeweils Figuren eines Ganzen in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden, hinter das nach außen sichtbare Handeln der Beteiligten. Was sind ihre wirklichen Beweggründe, wie verweben sich diese tatsächlichen Handlungsabsichten der Protagonisten miteinander.
Das ‚Lehrerkollegium‘ zeigt sich so als ein heterogenes Gebilde von Individuen, das, jeweils getragen von privaten Handlungsintentionen (seien es partnerschaftliche Interessen oder Auseinandersetzung mit individuellen Problemlagen), zu einem oberflächlichen Miteinander pädagogischen Handelns gelangt.
Die ‚Krämerseelen‘ erfassen die unmittelbare Nachkriegssituation in einer norddeutschen Stadt. Anlässlich eines Balls der städtischen Kaufleute und der mit ihnen in Beziehung stehenden ‚kleinen‘ Leute verdeutlicht sich ein Gewebe individueller Interessenslagen, das zum ‚Motor‘ städtisch-gesellschaftlicher Entwicklung wird. Nicht politische Theorien bestimmen die weitere Entwicklung, vielmehr die private Zielsetzung des Einzelnen, die sehr unterschiedlicher Art ist. Sie reicht vom chauvinistischen Vergnügungsgehabe einiger Wohlhabender bis hin zur verzweifelten Abwehr des völligen Untergangs von Vertriebenen.
Eine besondere Stärke der Autorin liegt genau in die-sem Erfassen der Handlungsabsichten. Dies verdeutlicht sich vor allem in den kurzen Prosaskizzen. Situative Begegnungen mit Menschen, die ergreifen, nachdenklich stimmen, auch durchaus karikieren und entlarven, unsere Sichtweise auf andere Menschen verändern können. In diesen Prosaskizzen wird auch viel von der Autorin selber ersichtlich, vor allem die durch Begegnungen in der Kindheit geprägte tiefe Verbundenheit mit der Natur und ein großes Verlangen nach einem Einklang von Mensch und Natur in seiner ganzen Tiefe.
Durchweg heiterer ist die Lyrik der Autorin angelegt. Hier spielt sie mit Sichtweisen, Situationen, gesellschaftlichen Konventionen, karikiert Verhalten, ohne dabei je zu verletzen, stellt infrage und macht aufmerksam.

Prosa und Lyrik der Autorin sind aufgrund ihrer sprachlichen Gestaltung und ihrer Nähe zur Wirklichkeit, ihrer genauen Beobachtung gesellschaftlicher Realität nicht nur ein Lesevergnügen, sie geben auch Impulse zum Überprüfen eigenen Verhaltens, eigener Sichtweisen, ohne dabei zu moralisieren oder Handlungsveränderungen beim Leser erzwingen zu wollen. Ihre eigene Suche nach der Harmonie zwischen Mensch und Natur begleitet unsere eigenen Sehnsüchte, unterstützt uns in unserem eigenen Verlangen.

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