Leisten Presseräte, was sie sollen und wollen?
Der Schweizer Presserat im Vergleich mit dem schwedischen, deutschen und britischen Modell
Peter Studer
Presseräte als Gremien der publizistischen Selbstkontrolle haben sich im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in den meisten europäischen Staaten etabliert. Ihr grundsätzlicher Nutzen ist allgemein anerkannt, ihre tatsächliche Wirksamkeit weniger. Presseräte haben sich Kodizes gegeben, die auf den Grundsätzen der Medienethik beruhen und zu bestimmen suchen, was Massenmedien sollen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen. Definierte Hauptziele journalistischer Berufsethik sind Wahrhaftigkeit, Transparenz und Fairness. Presseräte helfen den Medienrezipienten, gegen Verletzungen ihrer Privatsphäre vorzugehen, und den Journalisten, offen zu informieren und als ‚Wachhunde‘ (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR) die Mächtigen zu kritisieren. Das Abwägen dieser beiden Interessen ist die Hauptaufgabe jedes Presserates. Die nationalen Presseräte weisen deshalb viele gemeinsame Züge auf. Europas Presseräte beruhen auf Freiwilligkeit und haben – ausser der rufrelevanten Publikation ihrer Rügen – meist keine Sanktionsmöglichkeiten gegen mediales Fehlverhalten. Ihre Verankerung in der Öffentlichkeit ist deshalb zentral.
Wie sind die Presseräte Schwedens, Deutschlands, Grossbritanniens und der Schweiz entstanden, wie setzen sie sich zusammen, wie publizieren sie? Um von dieser Beschreibung zu einer Analyse der Stärken und Schwächen der Presseräte zu gelangen, werden die empirischen Befunde am Idealmodell des französischen Medienwissenschafters Claude-Jean Bertrand gemessen. Aus dem Messergebnis und aus den nationalen Medienkulturen ergibt sich, ob die jeweiligen Presseräte einen geringen oder einen höheren Beitrag zur Stabilisierung der von Internet und Gratiskultur bedrängten Qualität der Massenmedien erbringen. Dass das Funktionieren der Demokratie im 21. Jahrhundert unter anderem von der Qualität dieser Medien abhängt, hält der Verfasser für gewiss.