Leitbild Nachhaltigkeit
Eine normativ-funktionale Konzeption und ihre Umsetzung
Jürgen Deuschle, Alexander Jäger, Ortwin Renn, Wolfgang Weimer-Jehle
„Man könnte bilanzieren: Seit Rio (1992) ist nichts so nachhaltig wie das Reden und Schreiben über ‚Nachhaltige Entwicklung‘ oder ‚Sustainable Development‘ und gleichzeitig nichts so aussichtslos wie der Versuch, den Begriff konsensfähig und allgemeinverbindlich zu definieren“ (Jüdes 1997: 1). Mit diesen bitteren Worten beginnt eine kritische Analyse in der Zeitschrift „Politische Ökologie“ über die bisherige Nachhaltigkeitsdebatte in Deutschland. Wird der inflationäre Gebrauch des Wortes „Nachhaltigkeit“ dazu führen, dass wir nur noch mit einer Worthülse alles, was uns edel, hilfreich und gut erscheint, unter einen Begriff fassen wollen? Oder ist der Begriff mehr als eine dehnbare Schablone für Sonntagsreden und folgenlose Absich- erklärungen? Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und – deutet, dass nur soviel Holz geerntet werden darf, wie in dem jeweiligen Anbaugebiet nachwächst. Der sächsische Oberberghauptmann von Carlowitz hat im Jahre 1713 in s- nem Werk „Sylvicultura Oeconomica“ zum ersten Male den Begriff der Nachhaltigkeit verwendet, ohne zu ahnen, dass dieser Begriff 274 Jahre nach dem Erscheinen seines W- kes international in aller Munde sein würde (Peters 1984: 4; 261). Eine nachhaltige For- wirtschaft, so der Oberberghauptmann, beruhe auf dem Grundsatz, dass man nur so viel an Holz einschlagen dürfe wie durch Neupflanzung an Bäumen nachwachsen würde. Die Idee hat die sog. Brundtland-Kommission übernommen. Sie definiert nachhaltige Entwicklung als eine „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können” (Hauff 1987: 46).