Liebe als Wahnsinn
Die Konzeption der Göttin Venus in den Argonautica des Valerius Flaccus
Dorothee Elm von der Osten
Die Grausamkeit, mit der im flavischen Argonautenepos die Göttin Venus die Bewohnerinnen der Insel Lemnos zum Mord anstiftet und mit der sie später in der für das Epos zentralen Medeahandlung die Colcherin in ihr Unglück stürzt, lässt die Liebesgöttin geradezu zu einer Göttin des Bösen werden.
Die in Gestalt einer Furie auftretende Göttin legt eine Interpretation nahe, die sie als Repräsentation einer irrationalen, von wahnhaften Zügen begleiteten Liebe sieht, als Personifikation des Liebesfurors. Diese Verkörperung eines Gefühls existiert im Medium des Epos aber nicht als ein Abstraktum, sondern als eine Gottheit, deren Darstellung ein breites Bedeutungsspektrum eröffnet.
Diese Arbeit geht erstmals der für die Argonautica zentralen Rolle der Göttin nach und stellt ihre Darstellung in den Zusammenhang der Repräsentation von Wahnsinn in der epischen Tradition. Um die Konzeption einer epischen Gottheit in ihrer Abhängigkeit von anderen kulturellen Diskursen zu verstehen, behandelt die Studie auch das Verhältnis zu weiteren Konstruktionen von Devianz – in Philosophie, Medizin und Religion.