Liebe und Herrschaft
Studien zum altfranzösischen und mittelhochdeutschen Prosa-Lancelot
Cornelia Reil
Die Liebe zwischen dem besten Artusritter, Lancelot, und Ginover, der Frau des Königs Artus, ist eines der zentralen Themen des Prosa-Lancelot. Ihr ist hier erstmals eine eigene umfangreichere Arbeit gewidmet, die sie und ihre Funktion innerhalb der Romantrilogie in ein neues Licht rückt. Dabei wird das Gesamtkonzept dieser Trilogie nicht mehr primär unter dem Gesichtspunkt der Spannung zwischen weltlichem Artusrittertum und geistlichem Gralrittertum gesehen, sondern als Versuch verstanden, Aufstieg und Niedergang des Artusreiches als historischen Prozeß zu begreifen. Die Liebe zwischen Lancelot und Ginover, die im Roman von Einsiedlern und anderen geistlich kompetenten Personen tatsächlich immer wieder als sündig gebrandmarkt wird, wurde bisher meist im Rahmen des Gegensatzes von weltlich-höfischem und geistlichem Ideal gesehen: Zunächst glanzvolles Bild einer ‚höfischen‘ Liebe, werde sie dann im Roman als ausgehöhltes Ideal vorgeführt und reiße am Ende noch die gesamte Artuswelt in den Untergang. Die Untersuchung vermag dies zu relativieren und macht stattdessen sichtbar, daß diese Liebe – unbeschadet der Verdammung – anders beschreibbar ist; sie ist nicht so sehr eine ‚höfische‘, sondern vor allem durch ein ganz bestimmtes Verhältnis zur Herrschaft des Königs und seiner Frau Ginover bedingt. So kann auch ihre Funktion neu bestimmt werden: In der Geschichte der Liebe spiegelt sich die Geschichte des Artusreiches. Der Interpretation liegen sowohl der altfranzösische Text wie auch seine mittelhochdeutsche Übertragung zugrunde; sie gewinnt ihre Ergebnisse durch zahlreiche Detailanalysen sowie durch Vergleiche mit den Konzeptionen anderer Texte und Gattungen (Trobadorlyrik, Artusroman, Tristanroman).