Literatur und Lebenskunst
Reflexionen zum guten Leben im britischen Roman vom Viktorianismus zur Postmoderne
Susanne Bach, Stefan Glomb, Anna M Horatschek, Stefan Horlacher
In der Philosophie geriet die Philosophie der Lebenskunst im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts fast gänzlich aus dem Blick, bis Wilhelm Schmid sie einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland wieder zugänglich machte. Im britischen Roman dagegen gewinnen Fragen der Lebenskunst seit dem 19. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung. Die Entwicklung antwortet auf existenzielle Verunsicherungen, die durch einschneidende Veränderungen in den gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Strukturen im Rahmen akzelerierender Modernisierungsschübe seit dem 18. Jahrhundert ausgelöst wurden. Das Augenmerk der Romanciers gilt den Verstrickungen des Subjekts in die Beziehungen der Macht in allen Variationen, von materieller Unterdrückung und Ausbeutung bis zu internalisierten Diskursen über Religion, Körperlichkeit, Gender und Ethnie. Sie thematisieren die Schwierigkeit und die Notwendigkeit, sie im Rahmen einer Hermeneutik der Existenz zu durchschauen und sich bewusst zu ihnen zu verhalten. Darüber hinaus eröffnen sie unterschiedliche Entwürfe einer ‚andersmodernen‘ (W. Schmid) Lebenskunst, die theoretisch Widersprüchliches wie multiple Subjektivität und Kohärenz, wie Prozessualität und Zuverlässigkeit oder wie Kunst und Pragmatik miteinander verknüpfen.