Madeheim gegen Madeheim
Eine reichsdeutsche Scheidung, Berlin 1938
Isabella von der Heide
Im Nachlass meiner Schwiegermutter befanden sich die Dokumente ihres Scheidungsverfahrens vor dem Landgericht und dem Kammergericht Berlin. Diese spiegeln über das individuelle Schicksal hinaus die Rechtsprechung in Ehesachen im Nationalsozialismus der dreißiger Jahre wider. Über ein Inserat lernte sie 1936 Norbert Madeheim in Berlin kennen. Schon kurz nach der Hochzeit begehrte sie die Scheidung. Da eine zentrale Frage das Scheitern der Ehe durch körperlichen Nichtvollzug darstellte, bedeutete das juristische Verfahren für die junge Frau eine große Belastung. In erster Instanz wurde die Ehe aus Alleinverschulden des Ehemanns geschieden. Nach dem von ihm betriebenen Berufungsverfahren vor dem Kammergericht Berlin endete der Prozess schließlich mit dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. August 1938, welches die Ehe aufgrund Verschuldens der Ehefrau rechtskräftig schied. Als gläubige Katholikin strebte meine Schwiegermutter nun den kirchlichen Dispens von ihrer nicht vollzogenen Ehe an. Der vom Heiligen Stuhl in Rom erbetene Dispens wurde versagt, weil man ihr eine versuchte Täuschung der kirchlichen Gremien vorwarf. Erst als Norbert Madeheim 1942 in Russland fiel, war eine erneute kirchliche Heirat möglich.°°Das Werk enthält die Gerichtsurteile und den wesentlichen Schriftverkehr auch als gut lesbare ganzseitige Scans. Die Originalunterlagen des Verfahrens vermitteln in einer ganz besonderen Weise die Erkenntnis, wie sehr Richter und Rechtsanwälte in das nationalsozialistische System eingebunden waren.