Mangelnde Rechtsstaatlichkeit in Guatemala
Kontinuitäten und Brüche
Eva Kalny
Mehr als zwei Dutzend ehemalige Amtsträger:innen des guatemaltekischen Justizsystems befinden sich aktuell im Exil, andere unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen in Haft oder unter Hausarrest. Auf eine Phase des Aufbruchs und der Hoffnung, in der weitreichende Netzwerke krimineller Strukturen innerhalb des Staates aufgedeckt wurden, folgt nun die radikale Demontage der Rechtsstaatlichkeit.
Dieses Paper erläutert die historischen Wurzeln eines Rechtssystems, das dafür geschaffen wurde, die Privilegien einiger weniger zu verteidigen und durchzusetzen. Die gesellschaftliche Ordnung und die Machtbeziehungen, die durch den Kolonialismus geschaffen wurden, wirken bis heute sowohl innerhalb des Landes als auch in transnationalen wirtschaftlichen Beziehungen fort.
Während der kurzen Phase des demokratischen Frühlings von 1944 bis 1954 wurden Maßnahmen zu gesellschaftlichen Veränderungen eingeleitet, sein gewalttätiges Ende mündete in einen 36-jährigen Bürgerkrieg. Die kriminellen Strukturen, die zu dieser Zeit in staatlichen Institutionen entstanden und Straffreiheit für Kriegsverbrechen garantierten, blieben auch nach den Friedensverträgen bestehen und entwickelten sich weiter. Erst der UN gestützten Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit (CICIG) in Kooperation mit der Sonderstaatsanwaltschaft gegen die Straflosigkeit (FECI) sollte es gelingen, kriminelle Netzwerke innerhalb von staatlichen Institutionen aufzudecken.
Das jähe Ende der CICIG und die Demontage der FECI sowie die Manipulation des Höchstgerichts und des Verfassungsgerichts zählen zu den Strategien des Abbaus von Rechtsstaatlichkeit. Anhand von zwei emblematischen Fällen werden die Funktionsweise und die Folgen dieses Abbaus erläutert. Aufbauend auf diese folgt ein wenig positiver Ausblick und Überlegungen für zentrale Aspekte der Unterstützung von Rechtsstaatlichkeit in Guatemala.