Max Brod in Prag: Identität und Vermittlung
Gaelle Vassogne
Diese Studie analysiert den Werdegang Max Brods (1884‒1968) während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts im kulturellen und politischen Prager Kontext und vor dem Hintergrund der für diesen Kontext charakteristischen Identitätsprobleme. Brod versucht zunächst, das Identitätsproblem durch eine vielfältige Produktion, in der sich der Wunsch ausdrückt, einer literarischen Bewegung anzugehören und sich seiner Identität als Schriftsteller zu versichern, sowie durch eine „indifferentistische“ Lebensphilosophie zu lösen. Als sich dieser Versuch als erfolglos erweist, entwickelt er eine persönliche Auffassung vom Judentum und von der sozialen Funktion der Juden als Vermittler. Dies bildet fortan die Grundlage seiner Identität und führt ihn dazu, eines der führenden Mitglieder des tschechoslowakischen Zionismus zu werden und eine aktive Rolle im politischen Leben der ersten Tschechoslowakischen Republik Masaryks auszufüllen, um die Anerkennung der jüdischen Nationalität zu erzwingen. Brods Identität als „jüdischer Dichter deutscher Zunge“ mündet außerdem in eine kulturelle Vermittlertätigkeit zugunsten der Mitglieder des Prager Kreises (vor allem Werfels, Kafkas, Baums und Kischs) und tschechischer Künstler, vor allem Leoš Janáč eks. Allerdings wird sie durch das Aufkommen des Nationalsozialismus grundlegend in Frage gestellt.