Medizinethik im Nationalsozialismus
Entwicklungen und Protagonisten in Berlin (1939–1945)
Florian Bruns
Die medizinischen Verbrechen, die nationalsozialistische Ärzte begingen, beeinflussen bis heute medizinethische Debatten. Die Schrecken von „Euthanasie“ und Menschenversuchen verleiten dabei zu der Ansicht, im Hinblick auf die Medizin sei der Nationalsozialismus eine Zeit ohne Ethik gewesen. Doch waren es ausgerechnet die Nationalsozialisten, die mit der „Ärztlichen Rechts- und Standeskunde“ erstmals einen verpflichtenden Ethikunterricht im Medizinstudium etablierten. Dieser diente der Indoktrinierung der Studierenden und sollte die Auslese- und Vernichtungsmedizin in den Köpfen zukünftiger Ärzte festigen.Die Geschichte der Medizin und die Hygiene waren weitere Fächer, die eine spezifisch nationalsozialistische Medizinethik vermittelten: Rudolf Ramm, Bernward J. Gottlieb und Joachim Mrugowsky deuteten die traditionelle ärztliche Moral um und stellten sie in den Dienst nationalsozialistischer Politik. Auf der Basis unveröffentlichter Quellen und Lebensläufe zeigt der Autor, wie Medizinethik für inhumane Zwecke manipuliert und instrumentalisiert werden kann – eine Gefahr, die bis in die Gegenwart hineinreicht.